Fachkräftemangel fordert neue Überlegungen
von Jürgen Rathje
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Kolumne
Schwerin/gc. Politik und
Wirtschaft sitzen auch in Mecklenburg-Vorpommern vor einem beindicken
Problem. Der vor vielen Jahren angekündigte Fachkräftemangel ist längst
Realität geworden, und er beginnt erst, zu wirken. Die Ursachen für den
Fachkräftemangel sind vielfältig. Zuerst ist zu nennen, dass die von
vielen Funktionären in Wirtschaft und Politik gepriesene
Dienstleistungsgesellschaft nicht auffangen kann, was die
Industriegesellschaft freigesetzt hat. Von 1990 bis heute setzt sich der
Trend der Profitmaximierung fort, die personalintensiven
Fertigungsstrecken lieber in Billiglohnländer zu verlagern als sie am
eigenen Standort zu halten. Ein simples Beispiel, wie sehr dieses Denken
selbst in kleinste Einheiten vorgedrungen ist.
Zum Beispiel brachte
eine Altstadt-Werbegemeinschaft es fertig, Plastik-Schlüsselanhänger in
Asien zu produzieren und sie nach Deutschland einzuführen. Hiesige
Einzelhändler verkauften dann diese Schlüsselanhänger.
Damit wurde zwar
nicht ein einziger deutscher Arbeitsplatz geschaffen oder erhalten, und
auch die Existenz der Einzelhändler konnte nicht maßgeblich durch die
Plastikanhänger gesichert werden, aber der Profit für den Importeur war
recht ordentlich. Diese Schlüsselanhänger stehen nur symbolisch für
dieses Denken. Den teueren Touareg lässt VW im tschechischen Bratislava
zusammenschrauben. Deutsche Arbeitsplätze, Fehlanzeige.
Billigarbeitskräfte in deutschen Pflegeeinrichtungen sind ein anderes
Indiz solcher Art ökonomisierter Denkweise. Wer aber in seiner Heimat
keine Perspektiven mehr hat, geht weg. In MV haben von 1990 bis 2005
jedes Jahr über 14.000 Menschen das Land verlassen. Das bedeutet, eine
Stadt wie Ludwigslust mit rund 12.000 Einwohnern verschwindet innerhalb
eines Jahres. Wen wundert es also, wenn die hiesigen Betriebe Probleme
haben, Fachkräfte zu finden. Arbeitseinkommen, Arbeitsbedingungen,
Familientauglichkeit der Unternehmen – all dies sind Aspekte, die nicht
einmal in den Boombranchen des Landes wie dem Tourismus positive
Auswirkungen haben.
Das Fatale ist, Dienstleistungen am und für Menschen
sind wirtschaftshistorisch immer den produzierenden Bereichen
nachgeordnet gewesen. Wo es keine Industrie gibt, können auch
Dienstleister nicht überleben. Henry Ford hatte es seinerzeit auf eine
kürzere Formel gebracht: „Autos kaufen keine Autos“.
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