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Montag, 16. August 2010

In der Hitze des Waldes

Website visualisiert Infos über russische Waldbrände
Redaktion: Jürg Vollmer / maiak.info
Dieser Beitrag kann bei Autorennennung frei verwendet werden.
Bericht
Zürich/gc.  In den Wald- und Torfbränden in Russland greifen Internetnutzer zur Selbsthilfe: Russian-Fires.ru heisst die erste russische Website, die Informationen über die Brände sammelt, bündelt und auf Landkarten visualisiert. Nach dem so genannten Ushahidi-Prinzip erhalten professionelle und freiwillige Helfer einen Überblick, wo bei den Wald- und Torfbränden in Russland Hilfsmittel, Logistik, Kleidung, Nahrung und Wohnraum fehlen. Fotos aus dem Brandgebiet (in Russisch kommentiert) finden Sie hier .
Vorbilder waren Ushahidi in Kenia und Haiti
„Ushahidi“ entstand in der Krise nach den Wahlen in Kenia Anfang 2008 und ist eine Internet-Plattform, auf der kollektive Kriseninformationen öffentlich zugänglich gemacht werden. Das Wort „Ushahidi“ steht in der Bantu-Sprache  Swahili für eine „Zeugenaussage“. Tatsächlich sammelt Ushahidi Informationen direkt von Betroffenen vor Ort, welche sich meist über das Mobiltelefon mit SMS, Twitter oder E-Mail bei der Plattform melden. Diese Informationen werden von freiwilligen Mitarbeitern verifiziert, gebündelt und auf Landkarten visualisiert. Bekannt wurde Ushahidi nach den Erdbeben in Haiti, als 80.000 Nachrichten von der lokalen Bevölkerung eingingen und sogar die UNO und das IKRK ihre Arbeit mit dieser Plattform koordinierten. Nun wird das Ushahidi-Prinzip erstmals in Russland angewendet.

Russian-Fires.ru sammelt Informationen über die Waldbrände in Russland
Die anhaltenden  Wald- und Torfbrände in Russland seit Juli 2010 forderten nach offiziellen Angaben mindestens 50 Tote, wobei Hilfsorganisationen von weit mehr Opfern ausgehen. Deshalb greifen die Internetnutzer in Russland zur Selbsthilfe. „In der Geschichte des Einsatzes von Internettechnologie zu humanitären Zwecken sind Plattformen wie Russian-Fires.ru ein Meilenstein“, erklärt Daniel Stauffacher, Direktor der Genfer Stiftung ICT4Peace (Informations- und Kommunikationstechnologie für den Frieden), die den Einsatz moderner Kommunikationsmittel als Werkzeug des Krisenmanagements erforscht.

1.000 Meldungen in 10 Tagen gesammelt und visualisiert
Gegründet wurde Russian-Fires.ru am 2. August 2010 von den russischen Bloggern Gregory Asmolov und Alexey Sidorenko, die mit freiwilligen Programmierern und der weltweiten Ushahidi-Foundation diese russischsprachige Internet-Plattform innert wenigen Tagen auf die Beine stellten. Hunderte von Informanten sandten innerhalb weniger Tagen mit SMS, Twitter oder E-Mail rund 1.000 Meldungen an Russian-Fires.ru, die in den ersten zehn Tagen von 150.000 Nutzer gelesen wurden. Auf der Plattform Russian-Fires.ru ist zuerst einmal eine Landkarte zu sehen mit Symbolen für die einzelnen Wald- und Torfbrände in Russland. Beim Klicken auf ein Symbol kann man einzelne Augenzeugen-Meldungen lesen, in stark betroffenen Gebieten oft mehrere Hundert Meldungen.

Ein Schritt zu einer verantwortungsvollen Zivilgesellschaft in Russland
Russian-Fires.ru ist einerseits interessant für Journalisten oder andere Informationssuchende. Russian-Fires.ru ist aber vor allem eine Brücke zwischen denjenigen, die Hilfe brauchen und denen, die helfen wollen. Die Internet-Plattform hat zwei Haupt-Kategorien: Auf der Seite „Wir brauchen Hilfe“ wird aufgezeigt, was konkret an welchem Ort in Russland gebraucht wird. Von Hilfsmitteln für die Löscharbeiten über Logistik bis zu Kleidung, Nahrung oder einem Dach über dem Kopf. Auf der Seite „Ich will helfen“ bieten umgekehrt hilfsbereite Russen kostenlos Hilfsmittel, Logistik, Kleidung, Nahrung und Wohnraum an.

Für die Macher ist Russian-Fires.ru ein wichtiger Schritt zu einer verantwortungsvollen  Zivilgesellschaft oder Bürgergesellschaft in Russland. „Die Wald- und Torfbrände in Russland zeigen, dass es ein großes Potenzial gibt für gegenseitige Hilfe in der russischen Gesellschaft. Dieses Potenzial realisieren viele Bürger jetzt zum ersten Mal, wo sie deutlich sehen, dass die Regierung unfähig ist, eine solche Katastrophe effizient und effektiv zu bewältigen.“

SMS, Twitter, E-Mail und Filme aus den Waldbrandgebieten
Auf Russian-Fires.ru werden auch Videos eingereicht, wobei mitunter dramatische Erlebnisse zu sehen sind. Wie zum Beispiel vier junge Russen, die mit ihrem Mitsubishi-Geländewagen als freiwillige Helfer in das Dorf Tamboles im Gebiet  Nischni Nowgorod gefahren sind – und dort einen Albtraum erlebten. Innert Sekunden wurden die vier jungen Helfer von einer rasenden Feuerwalze eingeholt und verbrannten beinahe in ihrem Geländewagen. Da halfen ihnen auch die Informationen von Russian-Fires.ru nicht weiter.

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