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Mittwoch, 15. Februar 2012

Weg mit den IT-Scheuklappen

Wie man mittelständische Kunden verprellt
von Gunnar Sohn
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Bericht
Aachen/gc. Haufe-Lexware-Geschäftsführer Jörg Frey (www.lexware.de) kritisiert die techniklastige Litanei in der IT-Branche.

„Mit einer Riesenliste von Aufzählungen über die Anwendungsmöglichkeiten des Systems geht man im Marketing an den Bedürfnissen der potenziellen Käufer vorbei.“ Das gelte vor allem bei der Ansprache des Mittelstandes.

Viele Firmen würden zu sehr die eigene Produktentwicklung bei den Botschaften einbeziehen und nur eine Flut von technischen Details in den Vordergrund stellen. „Das ist verständlich, weil man es hier mit Technikern zu tun hat. Auf der anderen Seite bei den Käufern sitzen aber häufig Nicht-Techniker, die mit den vielen Informationen nichts anfangen können. Man muss sich also mehr mit der Frage beschäftigen, warum ein Produkt wirklich gekauft wird. Kunden haben in der Regel ein Problem und suchen nach einer Lösung. Die Kluft muss man überbrücken“, empfiehlt Frey.

„Einen Metzgermeister, einen Handwerksbetrieb oder Pizzabäcker interessiert überhaupt nicht, was unter der Haube steckt. Dieser Klientel muss man mit einer einfachen und klaren Sprache die wichtigsten Dinge einer IT-Anwendung vermitteln. Wenn ich einfach und glaubwürdig nach außen kommuniziere, muss das Produkt halten, was ich verspreche und es muss einfach zu bedienen sein“, so das Credo von Frey.

Fehlender Tauglichkeitstest und Scheuklappen
„Obsessionen für technische Perfektion sind ja schön und gut. Am Ende des Tages ist der Markterfolg entscheidend und nicht die Selbstverliebtheit von Ingenieuren. In vielen IT-Unternehmen sind Marketing, Management und Führung immer noch viel zu herstellerorientiert“, moniert Peter B. Záboji, Chairman des Dienstleisters Bitronic (www.bitronic.eu). Es wundert ihn nicht, dass sich renommierte IT-Konzerne mit inhabergeführten Unternehmen des Mittelstandes schwertun. Bastler, Ingenieure und Programmierer sollten endlich ihre berufsbedingten Scheuklappen ablegen. Denn es gilt das Motto: Chacun devient idiot à sa façon - jeder macht sich auf seine Weise zum Idioten.

„Die Unternehmer haben gar nicht die Zeit, sich mit den Sprechblasen der IT-Anbieter herumzuschlagen. Wer kein Verständnis für die wirklichen Belange von Unternehmenskunden aufbringt und nur wolkige Schlagworte von sich gibt, macht im Mittelstand keinen Stich“, weiß der ITK-Fachmann Záboji.

„Die IT-Branche versucht, ihre eigenen Businessmodelle durchzusetzen und ist sehr selbstverliebt, wenn dem potenziellen Anwenderunternehmen souffliert wird, was interessant und wichtig ist“, bestätigt Udo Nadolski vom Düsseldorfer IT-Beratungshaus Harvey Nash (www.harveynash.com/de).

Als Beispiel führt er den inflationär von der IT-Industrie verwendeten Begriff „Unified Communications“ an. Das werde als das glückseligmachende Medium der Zukunft angepriesen. Ein Tauglichkeitstest bleibe aber häufig aus.

Abgrenzung von IT-Konzernen
Und auch in der IT-Industrie regt sich Unbehagen: Der Mittelstand stellt das Herzstück der deutschen IT-Branche dar, werde aber sowohl von der Politik als auch von den IT-Verbänden sträflich vernachlässigt, kritisiert der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) (www.bitmi.de). „85 Prozent aller Auszubildenden der deutschen IT-Branche arbeiten in mittelständischen Firmen. Es ist also im Wesentlichen der Mittelstand, der die Zukunft für die technologisch orientierte Jugend schafft", erklärt Verbandspräsident Oliver Grün.

Mittelständler müssten sich besser vernetzen und ihre Interessen bündeln, fordert die Marketing-Professorin Heike Simmet von der Hochschule Bremerhaven. „So tummeln sich im Social Web fast nur die großen Unternehmen.“ Wie man das ändern kann, untersucht sie gerade in der Studie „Social Media als Chance für kleine und mittelständische Unternehmen" (bit.ly/y5xpTu), die kurz vor der Veröffentlichung steht.


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