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Montag, 2. April 2012

Der Atem der Zeit

Kohlendioxid verbarg sich während der Eiszeit im Ozean
Redaktion: Alfred-Wegener-Institut
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Pressemitteilung
Bremerhaven/gc. Warum enthielt die Atmosphäre während der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren so wenig Kohlenstoffdioxid (CO2)? Warum stieg dieses an, als das Erdklima wieder wärmer wurde?

Vorgänge im Ozean sind dafür verantwortlich, besagt eine Studie, die auf neuentwickelten Isotopenmessungen basiert. Wissenschaftler der Universitäten Bern und Grenoble und des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft haben die Ergebnisse nun im Wissenschaftsjournal „Science“ veröffentlicht.

Die atmosphärische CO2-Konzentration während der letzten Eiszeit vor rund 20.000 Jahren war deutlich niedriger als in der nachfolgenantarden Warmperiode. Das zeigten Messungen an Eisbohrkernen aus der Antarktis bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten. Anschließend blickte das internationale Team von Glaziologen sogar noch weiter zurück: Die Klimaforschenden fanden heraus, dass dieser enge Zusammenhang zwischen Kohlenstoffdioxid und Temperatur bereits über die letzten 800.000 Jahre bestand: mit niedrigen CO2-Konzentrationen während der Eiszeiten und höheren CO2-Werten in den Warmzeiten. So gingen sie der Frage nach: Wo verbarg sich das Kohlenstoffdioxid während der Eiszeiten – und wie gelangte es am Ende der Eiszeit wieder in die Atmosphäre?

„Wir konnten nun Vorgänge im Ozean identifizieren, die mit den beobachteten CO2-Anstiegen in Verbindung stehen“, sagt Dr. Jochen Schmitt, Erstautor der jetzt veröffentlichten Studie und Forscher am Oeschger-Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern.

Während der Eiszeit sammelte sich gemäß Schmitt mehr und mehr Kohlenstoffdioxid in den Tiefen des Ozeans an, wodurch die atmosphärische CO2-Konzentration sank. Erst am Ende der Eiszeit wurde dieses gespeicherte CO2 durch die sich ändernden Ozeanströmungen wieder an die Meeresoberfläche und somit in die Atmosphäre gebracht, schreiben die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“.


Eine neuartige Isotopenmessung erlaubt es erstmals, „den Fingerabdruck des im Eis konservierten CO2 sicher zu entschlüsseln“, erklärt Schmitt. Er und sein Kollege Prof. Hubertus Fischer haben zunächst am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung neuartige Messmethoden an Eisbohrkernen entwickelt und in langjähriger Forschungsarbeit nach ihrem Wechsel nach Bern weiter verfeinert.

Die Glaziologen extrahieren mit der neuen Methode die im Eiskern eingeschlossene Luft vollständig, und das enthaltene CO2 wird gründlich gereinigt. In einem Massenspektrometer werden die verschiedenen Isotope des CO2 analysiert, wodurch der Ursprung des Kohlenstoffdioxids abgeleitet werden kann.

Bereits in den 1980er Jahren hatten Forscherinnen und Forscher vorgeschlagen, dass man anhand eines isotopischen „CO2-Fingerabdrucks“ dieses Rätsel lösen könnte. Jedoch war bisher eine präzise Analyse des im antarktischen Eis eingeschlossenen Kohlenstoffdioxids wegen technischer Hürden nicht möglich. Den Glaziologen und Klimaforschern der Universitäten Bern und Grenoble sowie des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung ist nun in ihrer Studie der Durchbruch gelungen.

Entwickeln von Zukunftsszenarien

„Durch die neuen Daten konnten bereits einige Theorien über die möglichen Gründe der CO2-Schwankungen überdacht und verbessert werden. Messdaten aus der Vergangenheit erlauben es, Ideen darüber, wie das Klima am Ende der Eiszeit ausgesehen haben muss, immer klarer zu zeichnen“, sagt Jochen Schmitt. Jetzt müssten allerdings die Daten noch intensiv mit den Ergebnissen aus Klimamodellen verglichen werden, um die Modelle zu verifizieren und weiterzuentwickeln.

„Neben der wissenschaftlichen Neugier, wie unsere Erde in der Vergangenheit funktionierte, steht vor allem die Frage im Vordergrund, wie sich die Erde unter dem Einfluss des Menschen künftig entwickeln wird“, so Jochen Schmitt. Das seien wichtige Szenarien für die Zukunft, denn während der letzten 800.000 Jahre war der CO2-Gehalt der Atmosphäre noch nie auch nur annähernd so hoch wie heute, so der Klimaforscher.

Originalpublikation: Jochen Schmitt, Robert Schneider, Joachim Elsig, Daiana Leuenberger, Anna Lourantou, Jérôme Chappellaz, Peter Köhler, Fortunat Joos, Thomas F. Stocker, Markus Leuenberger & Hubertus Fischer. Carbon Isotope Constraints on the Deglacial CO2 Rise from Ice Cores. Science Express, 2012

Bildunterschrift 1:
Beispiel eines Eisbohrkerns aus einer Tiefe von 2590 m, älter als 150000 Jahre. Der Eisbohrkern wird in einen Meter lange Stücke zersägt. Durchmesser Eiskern: zehn Zentimeter. Foto: Hans Oerter, Alfred-Wegener-Institut

Bildunterschrift 2:
In diesem Dünnschnitt eines Eiskerns ist jahrtausende alte Luft eingeschlossen. Die Analyse lässt Rückschlüsse auf die Gaszusammensetzung in der Ergeschichte zu, so beispielsweise den Gehalt von Kohlenstoffdioxid. Foto: Sepp Kipfstuhl, Alfred-Wegener-Institut

Hintergrund:
Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

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