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Samstag, 26. Mai 2012

Diffuse Angst um Leib und Leben

Bürger wie Laborratten in Gen-Experiment
von Heiko Wruck
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Bericht
Grabow/gc. Besorgte Grabower  gingen auf die Straße. Das taten sie schon mehrfach, zuletzt am Mittwoch, 23. Mai 2012, im Ortsteil Heidehof. Ihre Sorge ist, dass sie als unfreiwilliger Kollateralschaden in die Geschichte eines Gen-Technik-Experiments mit ungewissem Ausgang eingehen.

Der Stall mit 1800 Quadratmetern ist an einer Seite offen. Dort sollen in drei aufeinanderfolgenden Jahrgängen Fohlen mit einem genmanipulierten bakteriellen Lebendimpfstoff gegen Rhodococcus equi immunisiert werden. „Der Wildtyp dieses Bakteriums (Stamm RE1) verursacht bei Fohlen eine eitrige Lungenentzündung. Bei dem Impfstoff handelt es sich um einen abgeschwächten Stamm von R. equi (RG2837), der auf Grund der gezielten Entfernung mehrerer Gene bei Pferden keine Erkrankungen mehr verursachen soll“, so der BUND Mecklenburg-Vorpommern.

Versuchsziel sei die Erhebung von Daten, mit denen die Zulassung bei der Europäischen Arzneimittelagentur beantragt werden könne. Innerhalb der Freisetzungsdauer von zwei bis drei Jahren sollen 120 Fohlen  geimpft werden. Weitere 360 Tiere sind am Versuch beteiligt. Damit sollen die Labordaten unter praktischen Bedingungen getestet werden. Die eitrige Lungen­entzündung könne auch bei Menschen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Katzen und Hunden auftreten. Das Experiment mit lebenden, gentechnisch veränderten Bakterien gefährde zuerst die Pferde im Gestüt, dann die Menschen in der Umgebung sowie die Haus- und Wildtiere in der Region. Besonders gefährdet sind immunschwache Menschen, wie Säuglinge, Ältere oder HIV-Geschwächte, warnt der BUND Mecklenburg-Vorpommern.

Die Versuchs-Fohlen sollten nicht älter eine Woche sein, sonst wäre der Impfversuch zwecklos. Diese Zeit ist längst überschritten. Die übergeordnete Behörde, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), hat diesen Freisetzungsversuch noch nicht genehmigt. Entwarung gibt es dennoch nicht. Das BVL teilt auf Anfrage mit, dass über den Freisetzungsantrag der Firma Intervet noch nicht entschieden sei und die Prüfung andauere. Eine Aussage über den Zeitpunkt der Entscheidung könne nicht getroffen werden. Die Befürchtung der Bürger, dass die Impfung zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen wird, auch wenn sie medizinisch nicht mehr sinnvoll ist, nur um Tatsachen zu schaffen, ist damit nicht aus der Welt. BVL: „Der Antragsteller hat die Freisetzung für einen Zeitraum von drei Jahren beantragt. Das BVL hat die Sicherheit des Freisetzungsversuchs zu beurteilen, aber nicht zu bewerten, wie sinnvoll ein derartiger Versuch aus medizinischer Sicht ist.“

Der Einsatz von Gen-Technik ist stark umstritten. Gentechnikgegner entwickeln gerne ein klares Szenario: Wenn die manipulierten Gene einmal aus der scheinbaren Sicherheit der Labore entwichen sind, kriegt sie niemand wieder dorthin zurück. Sie können sich frei und ungehindert vermehren sowie ausbreiten. Gentechnikbefürworter halten gegen: Zeige mir den Krebspatienten, der Gentechnik ablehnt, wenn sie ihn rettet. In dieser ideologischen Diskussion ist ein Kompromiss nicht in Sicht. Vielleicht bringt der öffentliche Vortrag von Professorin Susan Bardócz eine neue Gesprächsgrundlage: Samstag, 9. Juni 2012, um 19.30 Uhr im Audimax der Uni Rostock, Ulmenstr. 69. Die Gentechnikwissenschaftlerin kommt auf Einladung des BUND-Landesverbandes erstmalig in die Hansestadt. Der Eintritt ist frei.
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Bardócz studierte Chemie und promovierte in Biochemie und Pharmakologie. Sie leitete, wie zuvor ihr Mann Árpád Pusztai, eine Forschungsabteilung im Rowett-Institut im schottischen Aberdeen. »Beide wurden 1998 gefeuert, weil Pusztai im Fernsehen Forschungsergebnisse vorstellte, nach denen an Ratten verfütterte genmanipulierte Kartoffeln Wachstumsstörungen und eine Schädigung des Immunsystems verursachten. Offiziell hieß es, seine Ergebnisse seien falsch und nicht abgesichert gewesen, viele Forscher allerdings sahen darin den Versuch, einen Gentechnikkritiker mundtot zu machen, wird vom BUND Mecklenburg-Vorpommern mitgeteilt.

Bildunterschrift:
Grabower Bürger trafen sich am 23. Mai im Ortsteil Heidehof, in dem der geplante und noch nicht genehmigte Versuch zur absichtlichen Freisetzung von genmanipulierten Bakterien stattfinden soll. Dort wurde, fast gegenüber des Versuchsstalls, auf einem Privatgrundstück, ein Protestplakat angebracht. Die Bürger wollen damit ausdrücklich klarmachen, dass sie mit aller Kraft gegen dieses geplante Experiment, das ihre Gesundheit gefährden kann, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, angehen. Foto: Gisela Welke

Kontakt:
Heiko@Wruck.org
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