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Dienstag, 24. Juli 2012

Faszinierende Einblicke

Medizinische Kapsel reist durch den Darm
Redaktion: Ernst-Abbe-Fachhochschule Jena
Dieser Beitrag kann in vollem Umfang kostenlos genutzt werden.
Pressemitteilung
Jena/gc. Jeder fünfte Patient im Wartezimmer von Ärzten leidet am so genannten Reizdarmsyndrom (RDS). Darmkrankheiten und Verdauungsstörungen werden meist schamhaft verschwiegen. Dabei ist der Darm – das größte Organ des menschlichen Körpers – besonders wichtig für die Immunabwehr sowie als Hauptportal für Arzneimittel. In den Industrieländern leiden über 10 Prozent der Bevölkerung an RDS, in Südamerika über 40 Prozent.

Herz und Kreislauf kann jeder niedergelassene Arzt durch Blutdruckmessung und EKG prüfen. Die Diagnose von RDS ist viel komplizierter: Mit Ultraschall, Blutuntersuchungen sowie Magen- und Darmspiegelungen müssen zunächst organische Ursachen ausgeschlossen werden. Dann erst kann der Arzt durch Erfragen von Symptomen auf RDS schließen. Mitunter vermutet der Patient, dass seine Beschwerden – krampfartige Bauchschmerzen, unregelmäßiger Stuhlgang sowie Aufstoßen und Blähungen, möglicherweise bis hin zu Angststörungen und Depressionen – nicht ernst genommen werden. Der Leidensdruck und auch die Kosten können erheblich sein. In den USA wurden beispielsweise die Kosten, die 2004 durch RDS verursacht wurden, mit bis zu 30 Milliarden Dollar angegeben.

Da bei RDS meist die Bewegung des Darms (Motilität) gestört ist, bietet die Untersuchung der Motilität eine einfache Möglichkeit für die RDS-Diagnose. In den USA werden in mehr als 80 registrierten Laboren solche Untersuchungen praktiziert. Sie sind allerdings entweder ungenau oder für den Patienten sehr unangenehm und erfordern im Allgemeinen die stationäre Aufnahme in eine Klinik.

Daher stößt eine neue Methode der Firma SmartPill Corporation (USA) auf großes Interesse: sie kann ambulant eingesetzt werden und lässt dem Patienten volle Bewegungsfreiheit. Eine spezielle Kapsel (die so gen. SmartPill) wird vom Patienten geschluckt. Auf ihrem Weg misst sie Temperatur, Druck und Säuregrad (pH-Wert) im Darm und sendet die Daten an einen Empfänger, den der Patient am Körper trägt. Der pH-Wert ändert sich stark beim Übergang vom Magen zum Dünndarm und ein wenig beim Übergang vom Dünn- zum Dickdarm. So wird die Bestimmung der sogenannten Transit-Zeiten für den Dünn- und den Dickdarm ermöglicht.

Die Bewegungsvorgänge im Darm, also die eigentliche Motilität, kann die SmartPill allerdings nicht erfassen. Außerdem ist sie so groß, dass sie unter Umständen im Darm stecken bleiben kann … Trotzdem wird sie von vielen Ärzten in den USA bereits eingesetzt und in erheblichen Stückzahlen von SmartPill Corp. produziert und verkauft.

Eine Forschungsgruppe der Ernst-Abbe-Fachhochschule Jena unter Leitung von Prof. Dr. Matthias Bellemann (FB Medizintechnik/Biotechnologie) und dem Gastwissenschaftler Prof. Dr. Wilfried Andrä entwickelte ein System, mit dem erstmals wirklich die Bewegungen im gesamten Darm beobachtet werden können. Das Gerät kann ebenfalls am Körper getragen werden. Die dabei benutzte Kapsel ist viel kleiner als die SmartPill und kann problemlos den gesamten Darm passieren. Sie erfasst die Bewegungen des Darminhaltes kontinuierlich wäh­rend der gesamten Passagezeit und zeigt sie dreidimensional in Echtzeit auf einem Bildschirm an. Die Beobachtung und medizinische Beurteilung kann auch entfernt in einer Arzt-Praxis stattfinden, ohne dass der Patient anwesend sein muss.

Das neue System verwendet ein neuartiges magnetisches Ortungsverfahren, das ohne ionisierende Strahlung arbeitet. Besonders interessant ist, dass sich mit der neuen Methode auch die Passage einer erweiterten Version der Kapsel beobachten lässt, die Wirkstoffe transportieren kann. Diese können ferngesteuert freigesetzt werden, sobald die Kapsel das gewünschte Zielgebiet erreicht hat.

Das Kapselsystem der Ernst-Abbe-Fachhochschule Jena ist dabei deutlich einfacher aufgebaut als die bereits zugelassene Enterion™-Kapsel (Firma Quotient Bioresearch, UK) und die angekündigte iPill- bzw. IntelliCap-Kapseln (Firma Philips Research, NL) und bietet weitere wichtige Vorteile, wie die strahlungsfreie Ortung, die Verwendung von biokompatiblen Materialien und deutlich niedrigere Herstellungskosten.

Kontakt:
Prof. Dr. Wilfried Andrä
wilfried.andrae@t-online.de
Prof. Dr. Matthias Bellemann
bellemann@genion.de

Aussender:
Sigrid Neef
Fachhochschule Jena
Leiterin Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 03641-205 130
Tel.: 03641-205 132
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