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Samstag, 7. Juli 2012

Keine Tierfabriken aus Steuermitteln

BUND zeigt Verletzung von EU-Recht an
Redaktion: BUND Mecklenburg-Vorpommern
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Pressemitteilung
Schwerin/gc. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat wegen der Förderung von Intensiv- Tierhaltungsanlagen in Mecklenburg-Vorpommern eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingelegt und den Europäischen Rechnungshof sowie das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung informiert.

In der Beschwerde informiert der BUND die Europäische Kommission über die Praxis des Landes weiterhin sogenannte „Altanträge“ für Anlagen, die vor der Änderung der Förderkriterien gestellt wurden aus EU-Mitteln zu fördern. Der Europäische Rechnungshof und das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung wurden informiert, weil die Förderfähigkeit von Großanlagen mehrfach durch künstliche Betriebsteilungen erlangt wurde. Dabei werden für ein Großvorhaben mit hunderttausenden Tierplätzen zwei Betriebe gebildet um die Höchstgrenze der förderfähigen Investition von früher 2 Millionen Euro, jetzt 1,5 Millionen Euro, zu unterlaufen.

Der BUND informierte die Kommission auch über die fortgesetzte Verletzung von europäischen Richtlinien wie der FFH-Richtlinie und der Europäischen Nitratrichtlinie durch die Genehmigung weiterer Intensiv-Tierhaltungsanlagen. Da Deutschland seine Reduktionsziele zur Minderung des Stickstoffausstoßes nicht einhalten kann, sei die Genehmigung jeder weiteren Großanlage ein Verstoß gegen die Vorgaben der EU. Mehr als 70 Intensivanlagen zur Tierhaltung in Mecklenburg-Vorpommern mußten an das Schadstoffregister gemeldet werden.

„Auch über die Praxis des Landes Mecklenburg-Vorpommern, die Vergabe von Pachtflächen an den Bau von Intensiv-Tierhaltungsanlagen in industriellen Größenordnungen zu binden haben wir die EU-Kommission informiert. Dies ist einer wichtigsten Gründe für den Boom von großen Geflügelanlagen in Mecklenburg-Vorpommern. Denn der drohende Verlust an Pachtflächen ist für Agrarbetriebe verständlicherweise existenziell. Zusammen mit der Landesförderung und dem Anschluss an international agierende Konzerne, wie die niederländische PLUKON-Gruppe mit 120 Millionen Geflügel- Schlachtungen pro Woche, ist der Neubau eines Intensivstalles trotz des marginalen Gewinns von einigen Cent am Schlachtkörper für Agrarbetriebe dann lukrativ, wenn möglichst viele Tiere gehalten werden. Die Folge sind Mega-Ställe mit hunderttausenden Tierplätzen pro Durchgang wie sie in Klein Daberkow, Gallin und Wattmannshagen geplant sind. Mit nachhaltiger Landwirtschaft und der Entwicklung strukturschwacher Regionen hat dies aber nichts zu tun", sagt Corinna Cwielag, BUND-Landesgeschäftsführerin für Mecklenburg-Vorpommern bei der Vorstellung der Beschwerde am 3. Juli 2012 in Schwerin.

Die Förderung von Anlagen durch künstliche Betriebsteilungen sind nach Meinung des BUND ein Fall für das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung.

In Genehmigungsverfahren werden die künstlich geteilten Anlagen aber in einem Antragsverfahren, einer Planunterlage, mit einer gemeinsamen Verträglichkeitsprüfung und in einer gemeinsamen öffentlichen Erörterung mit einem Planungsbüro behandelt werden.

„Die Betriebsteilung erfolgt nur für die Förderung. Im Falle der Intensivmastanlage für 400.000 Hähnchen in Klein Daberkow ist die Betriebsteilung noch immer Gegenstand einer Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft. Diese Beschwerde wurde zunächst abgewiesen, weil die Betriebsteilung keinen Verstoß im Sinne der Strafprozessordnung darstellt. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch klar dargestellt, dass dies nichts über die Förderfähigkeit aussagt. Das Landwirtschaftsministerium will die Anlage, deren eine Hälfte durch einen Mitarbeiter eines niederländischen Agrarkonzerns geführt werden soll, dennoch fördern. - Wir haben Brüssel darauf aufmerksam gemacht, dass durch die 400.000er Hähnchenmastanlage in Klein Daberkow ein einziger Arbeitsplatz geschaffen werden soll. Das EU-Programm zur Förderung des ländlichen Raumes hat aber zum Ziel dem Bevölkerungsschwund in Strukturschwachen Regionen entgegen zu wirken und mit Rücksicht auf Umwelt und Lebensqualität eine wettbewerbsfähige einheimische Landbewirtschaftung zu fördern. Die Förderung von Großanlagen verstößt gegen die Ziele der Förderverordnung des EU-Fonds für den ländlichen Raum“, so Corinna Cwielag vom BUND.

„Mecklenburg-Vorpommern wurde bereits zur Halbzeit der EU-Förderperiode auf fehlende Prioritätensetzung für das Agrarinvestitionsförderprogramm hingewiesen. Das Von-Thünen-Institut Braunschweig als Gutachter kritisierte bereits im Februar 2010 die Förderpraxis des Agarinvestitionsförderprogrammes. Grund hierfür war die Höhe der Förderung und eine fehlende Prüfung ihrer Erforderlichkeit. Nach Intervention der EU-Kommission im September 2011 wurde das Agrarinvestitionsförderprogramm ausgesetzt. Danach erfolgte eine Umschichtung von EU-Finanzmitteln zu Gunsten des Agrarinvestitionsprogramms. Für die Umschichtung wurden Mittelkürzungen bei Berufsbildungsmaßnahmen für Landwirte zu den Themen Klimaschutz und Biodiversität, bei Tierschutzmaßnahmen sowie Kürzungen zu Lasten von Waldumweltmaßnahmen vorgenommen.

Die Umweltverbände BUND, NABU und WWF hatten hierzu eine kritische Stellungnahme abgegeben, die jedoch nicht berücksichtigt wurde. Im März 2012 wurde das Agrarinvestitionsförderprogramm mit einem Volumen von 16 Millionen Euro und mit einem Erlass zur veränderten Prioritätensetzung durch den Landwirtschaftsminister wieder in Kraft gesetzt. Dabei blieben die grundsätzlichen Einwände der Umweltverbände unberücksichtigt“, erläutert Arne Bilau vom BUND für den nachhaltigen Einsatz von EU-Fördermitteln. Sein Fazit: „Die jetzige Verfahrensweise des Landwirtschaftsministeriums führt faktisch dazu, dass der Hauptteil der umgeschichteten Fördermittel für Vorhaben gebunden wird, die nach alter Förderrichtlinie keinen höheren Tierschutzstandard für den Tierschutz gewährleisten. Die neuen Kriterien für Tierhaltungsanlagen kommen somit wahrscheinlich bis Ende 2013 gar nicht zum Tragen.“

Jörg Kröger, Sprecher des Landesnetzwerkes „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“, in dem mehr als 15 Bürgerinitiativen in Mecklenburg-Vorpommern zusammengeschlossen sind, sagt: „Durch die Förderpraxis werden Intensivanlagen mit industriellen Größenordnungen aus Mitteln für die Entwicklung des ländlichen Raumes gefördert. Anlagen für bis zu 400.000 Masthähnchen in einem Durchgang haben enorme Umweltauswirkungen bis hin zur Gefährdung der menschlichen Gesundheit. Sie schaffen auch keine Arbeitsplätze, sondern führen eher dazu, dass der ländliche Raum entwertet wird. Wohnimmobilien in der Nachbarschaft verlieren bis zu 70 Prozent an Wert. Qualifizierte Arbeitsplätze hingegen werden nicht geschaffen. Wir wissen gegenwärtig von mehr als 38 Anträgen und Genehmigungen für den Neubau industrieller Tierhaltungsanlagen für Masthühner, Broilerelterntiere, Legehennenhaltung, Sauen-, Ferkelhaltung und Mastschweinehaltung. Darunter befindet sich die größte Sauenanlage Europas mit 10.400 Muttersauen und 35.000 Ferkeln in Alt Tellin im Landkreis Vorpommern-Greifswald. Für diese noch im Bau befindliche Anlage wurde noch vor der Fertigstellung die Erweiterung der Kapazitäten auf 10.700 Muttersauen und 50.000 Ferkelplätze beantragt. Die Anlage liegt weit über der Grenze der Förderbarkeit und wird deshalb nicht durch das Agrarinvestitionsförderprogramm gefördert. Der Bau musste jedoch viermal wegen unzulässiger Bauausführung durch behördlich angeordnete Baustopps unterbrochen werden. Die Vielzahl der erforderlichen Bußgeldbescheide rechtssicher zu begründen und dann notfalls vor Gericht durchzusetzen ist für das Amt mit enormem Aufwand verbunden. Jetzt stellt sich auch noch heraus, dass die Ausgleichsmaßnahmen für die Riesenstallanlage nicht durchführbar sind, und dass man auf die Rettung der Tiere im Brandfall ganz verzichten will, offenbar weil es unmöglich ist, 10.400 Muttersauen im Brandfall zu evakuieren! Weil  das Land nicht handelt, muß die Sache jetzt an die EU gemeldet werden. Die größte Sauenanlage Europas verstößt als Schadstoffquelle auf jeden Fall gegen die Europäische Nitratrichtlinie.“

Fazit von Jörg Kröger, Sprecher des Landesnetzwerkes der Bürgerinitiativen in Mecklenburg-Vorpommern: „Die Anlagen der industriellen Massentierhaltung haben eine Dimension erreicht, die mit dem bisherigen rechtlichen und behördlichen Instrumentarium gar nicht mehr beherrschbar ist. Mit den Folgen werden Bürgerinitiativen und ländliche Kleinstgemeinden alleingelassen. Die gemeindliche Planungshoheit wird beständig über die regelmäßige Anwendung des Landwirtschaftsprivilegs für ,Bauen im Außenbereich’ auf solche gewerblichen Anlagen ausgehebelt. Selbst auf Kreisebene sind die Ämter schon durch die schiere Größe der Massentierhaltungsanlagen schlicht überfordert. Weder personell noch finanziell ist die Verwaltung auf diese Anforderungen vorbereitet.“

Grafik:
Die aktuelle Karte des BUND mit 38 Standorten für geplante und genehmigte Geflügel- und Schweinehaltungsanlagen ist unter www.bund-mecklenburg-vorpommern.de/startseite zum kostenlosten Download verfügbar. Autor: BUND

Kontakt:
Corinna Cwielag
BUND Mecklenburg-Vorpommern

BUND Landesverband Mecklenburg-Vorpommern
Wismarsche Straße 152
19053 Schwerin
Tel.: 0385-52 13 39 0
Fax:  0385-52 13 39 20
bund.mv@bund.net

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