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Sonntag, 29. Juli 2012

Tief ins eigene Fleisch

Zur aktuellen Debatte um Beschneidungen
von Heiko Wruck
Kommentar
Verlänge ein erwachsener Mann eine Strafverfolgung der Verantwortlichen und eine Entschädigung, weil er als unmündiges Kleinkind beschnitten wurde, gerieten die Befürworter der Inzision in Bedrängnis.

Eine Wiedergutmachung der „beschnittenen Jahre“ ist nicht möglich. Vielleicht gibt es heute die moderne Schulmedizin her, dass er mittels einer Eigenhautspende das einst ungefragt entfernte Stück seines Körpers ersetzt bekommt? Eine echte Wiedergutmachung kann dieser Ersatz jedoch nicht sein.

Solch ein Fall, dass ein erwachsener Mann gegen seine unfreiwillige Beschneidung geklagt hätte,  ist mir nicht bekannt. Klar ist, dass die Klage auf vorsätzliche Körperverletzung und ebenso vorsätzliche Verstümmelung lauten könnte.

Bei der Beschneidung von Frauen ist es im Westen usus, dass dies ein barbarischer Akt sei. Selbst dann, wenn sich die (Jung-) Frau  oder das Mädchen aus traditionell-kulturellen Gründen freiwillig dafür entscheidet. Die Taufrituale des Christentums sind zwar weniger einschneidend. In der Sache selbst stehen sie den beiden blutigen Kulthandlungen allerdings in nichts nach. Auch hier werden Tradition, Kultur und Religion als Werte argumentiert – denen sich ein Kind nicht entziehen kann. Es ist schwierig, mit Jahrtausende alten Traditionen und kulturellen Vorstellungen in der Moderne umzugehen. Der kleinste gemeinsame Nenner könnte die uneingeschränkte Selbstbestimmung in Verbindung mit absoluter Freiwilligkeit sein. Das setzt eine vorbehaltlose Mündigkeit voraus.

Unfreiwillige Beschneidungen, geistige wie körperliche, sind letztlich immer nur ein Schnitt ins eigene Fleisch.

Kontakt:
Heiko Wruck
redaktion@german-circle.de
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