Suchen

Freitag, 4. Januar 2013

Rundfunkgebühr für Blinde?

Welt-Braille-Tag, Strafzahlung für Teilhabe
von Heiko Wruck
BERICHT
Schwerin/gc. Am 4. Januar 2013 wäre  Louis Braille 204 Jahre alt geworden. Alljährlich an seinem Geburtstag gedenkt die Welt des Erfinders der Blindenschrift. Braille war mit vier Jahren durch einen Unfall vollständig erblindet. Mit 16 hatte er seine Braille-Schrift, die bis heute verwendete Blindenschrift, fertiggestellt. Als er zusätzlich eine Notenschrift für Blinde erfand, war er gerade 19 Jahre jung. Ihm ging es um die Teilhabe Blinder am gesellschaftlichen Leben. Diese Teilhabe wird den Blinden und stark Sehbehinderten in Mecklenburg-Vorpommern ab Januar 2013 ein Stück mehr erschwert. Sie sollen nun mit rund einem Drittel der üblichen Rundfunkgebühr den milliardenschweren Haushalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sanieren helfen. Vorher waren sie von der Gebühr befreit.


Die Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (GEZ) verlangt nun von Brailles Leidensgenossen 5,99 Euro pro Monat. So hatten’s die Ministerpräsidenten der Länder beschlossen. Mecklenburg-Vorpommerns Regierungssprecher Andreas Timm: „Die Ministerpräsidenten haben sich darauf verständigt, dass zum 1. Januar 2013 die bisherigen Rundfunkgebühren durch einen geräteunabhängigen Haushaltsbeitrag ersetzt werden. Bei dieser Gelegenheit sind auch die Ausnahme- und Befreiungsregeln vereinfacht und reduziert worden. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass das  Bundessozialgericht die generelle, einkommensunabhängige Befreiung von Menschen mit Behinderungen schon vor Jahren als gleichheitswidrig eingestuft hat. Menschen mit einer Behinderung zahlen künftig einen auf ein Drittel reduzierten Rundfunkbeitrag, also 5,99 Euro pro Monat. Damit wird den eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten Rechnung getragen. Sozial Schwächere können sich weiterhin vollständig befreien lassen. Die Landesregierung hat der Umstellung auf einen geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag und den neuen Ausnahmeregeln zugestimmt.“

Dabei hatten doch ausgerechnet Blinde und stark Sehbehinderte gerade erst vor ein paar Jahren derbe Einschnitte hinnehmen müssen. Der Schweriner Landtag hatte 2009 die Kürzung des Landesblindengeldes von 546,10 Euro auf 430 Euro im Monat mit 36 zu 28 Stimmen beschlossen. Im Blinden- und Sehbehinderten-Verein Mecklenburg-Vorpommern e.V. sind aktuell etwa 800 Mitglieder organisiert. Viel zu wenige, um bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit 5,99 Euro im Monat ernsthaft ins Gewicht zu fallen, aber auch viel zu wenige, um ihre Interessen machtvoll durchsetzen zu können.

Das Radio ist das einzige öffentliche Kommunikationsmittel, das sie ohne Barrieren nutzen können. Im Kampf um die viel beschworene Barrierefreiheit haben die Landespolitiker dieser Minderheit nun ein weiteren Bärendienst erwiesen. Vom Erwerbsleben weitgehend ausgeschlossen oder massiv eingeschränkt werden Blinde und stark Sehbehinderte zusätzlich für ihre gesellschaftliche Teilhabe zur Kasse gebeten.

Das hätte Louis Braille gar nicht gefallen. Vielleicht wissen die Politiker auch nur nicht, wie viele Betroffene es gibt? Bis heute kann keine deutsche Behörde verlässlich Auskunft geben über die Anzahl der in der Bundesrepublik lebenden Blinden und stark Sehbehinderten. Sie werden nicht erfasst.

Bildunterschrift:
Bernd Heuer, Klaus und Ulrike Klinke sind im Blinden- und Sehbehinderten-Verein Mecklenburg-Vorpommern e.V. organisiert. Trotz dessen, dass sie  vom Berufsleben, vom Erwerbseinkommen und in der Nutzung von Kommunikationsmitteln ausgeschlossen beziehungsweise stark eingeschränkt sind, müssen sie ab Januar 5,99 Euro GEZ-Gebühren bezahlen - jeden Monat. Belgien und Italien gaben 2009 zum 200. Geburtstag von Louis Braille 2-Euro-Gedenkmünzen heraus. Im selben Jahr wurde in Mecklenburg-Vorpommern das Landesblindengeld um rund 21 Prozent gekürzt. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
Heiko@Wruck.org
____________________________________________