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Sonntag, 19. Mai 2013

Isegrim gehört als Rückkehrer dazu

Leben mit dem Wolf in Mecklenburg-Vorpommern
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Schwerin/gc. Ökonomische Interessen, alte Ängste und das Klischee vom bösen Wolf, aber auch die Freude über die Rückkehr Meister Isegrims haben die Inhalte des BLITZ-Telefonforums bestimmt, das Minister Till Backhaus am Dienstagabend, 14. Mai 2013, mit den BLITZ-Lesern hielt. Hier Auszüge aus den Gesprächen.


Winfried Mett, Graal Müritz, wies auf die Gefährung von Kindern hin, wenn Wölfe zu nah am Menschen leben. Als Beispiel nannte er Übergriffe auf rumänische Schulkinder.
Backhaus: Zurzeit reden wir von vier bis fünf Wölfen in ganz MV. Es wird also nicht so sein, dass Wölfe rudelweise durch die Dörfer streifen. Übergriffe auf Menschen sind absolute Ausnahmen. In den letzten 50 Jahren kam das in Europa neunmal vor: fünf Tollwutfälle und vier verhaltensauffällige Wölfe. Deutschland gilt seit vielen Jahren als tollwutfrei. Und wenn ein Wolf zum Kulturfolger wird, werden wir uns damit befassen.

Hans-Jürgen Kanter aus Moraas hält es für überzogen, dass Touristen, Spaziergänger, Reiter und Kinder gefährdet seien. Er fragt, ob es Strichlisten gibt und wie man mögliche Paarungen von Wolf und Hund verhindern will?
Backhaus: Strichlisten führen wir nicht. Es wurden bisher über 50 Wolfsmanager ausgebildet und ein dichtes Monitoring veranlasst. MVs Wölfe sind in einer Gen-Datenbank erfasst. So können wir jeden Riss konkreten Tieren zuordnen. Durch die wissenschaftliche Begleitung wissen wir recht gut, wo sich unsere Wölfe aufhalten und was sie tun. Die Gefährdungslage ist bei weitem nicht so, wie sie vermutet wird. Tierhalter haben ebenfalls eine Verantwortung. Nutztiere können mit Zäunen und Herdenschutzhunden wirksam geschützt werden. Das belegen unsere Erfahrungen. Zäune und Schutzhunde werden vom Land gefördert. Die Paarung mit freilaufenden Hunden kann ein Problem werden. Die Hundehalter sind hier in der Verantwortung. Es gilt Leinenpflicht, Hofhunde sind so zu halten, dass sie nicht als Streuner herumlaufen.

Ute Behnke aus Rerik liebt den Wolf und fragt, wie der vor dem Jäger geschützt werden kann?
Backhaus: Der Wolf ist streng geschützt. Ihn zu erlegen, ist eine Straftat. Die Jäger sind grundsätzlich keine Feinde des Wolfes. Wir brauchen Aufklärung und wissenschaftliche Begleitung im Umgang mit dem Wolf. Außerdem führen wir keine aktive Wiederansiedlung des Wolfes durch. Wir richten uns aber gezielt auf seine Rückkehr ein. Diesen Prozess begleiten neben anderen auch die Jäger. Künftig wird man nachdenken müssen, wie man mit einer Wolfspopulation umgeht. Bis dahin ist es weit. Noch gibt es kein einziges Rudel. Wir hoffen, dass die beiden Wölfe in der Lübtheener Heide im Sommer den Grundstein für ein erstes Rudel bilden.

Wilfried Uigsches aus Langenhagen beklagt, dass Füchse, Marder, Minke und Waschbären heute schon einen großen Druck auf die Beutetiere ausüben. Besonders Fuchs und Habicht haben ihm etliche Hühner geraubt. Nun soll der Wolf kommen.
Backhaus: Ja, der Raubtierdruck ist groß. Deswegen müssen diese Beutegreifer bejagt werden. Nur der Wolf nicht. Bei seinen Beutetieren gibt es zurzeit deutliche Überpopulationen, sodass bei entsprechenden Schutzmaßnahmen der Wolf kaum auf Nutztiere ausweichen wird. Von 2007 bis 2012 hatten wir insgesamt fünfzehn Vorfälle mit Nutztieren, die mit 26.918,67 Euro entschädigt wurden. Das waren meistens Schafe. 96 Tiere wurden durch den Wolf getötet, 31 verletzt. Gab es 2007 noch sechs Vorfälle, so waren 2010 null und 2011 sowie 2012 jeweils noch zwei.

Frieder Krause, Ludwigslust, fragte, warum Risiken eingehen? Bisher ging es ohne Wolf.
Backhaus: Es ist unsere Pflicht und Verantwortung, für die nächsten Generationen das Naturerbe zu bewahren. Das gilt auch für die natürliche Rückkehr des Wolfes. Hier geht es um die Akzeptanz, dass der Mensch die Natur zwar nutzen, aber nicht unterwerfen kann. Nur auf andere Länder zu zeigen und zu beklagen, dass dort der Urwald gerodet oder eine Tierart ausgerottet wird, ist weder ehrlich noch zielführend. Wir können und müssen auch selbst etwas für die heimische Natur tun. Der Wolf gehört dazu.

Bildunterschrift:
Dr. Till Backhaus, Mecklenburg-Vorpommerns Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz wirbt um Verständnis für die Kreatur. Der Wolf hat ein Recht, hier zu leben, zum Beispiel auf den 6.000 Hektar Militär-Übungsplatz der Lübtheener Heide. Foto: Wruck

Kontakt:
heiko@wruck.org
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