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Freitag, 28. Juni 2013

An der Knautschzone Europas

München - Venedig um 200 Kilometer verkürzt
Redaktion: Friedrich-Schiller-Universität Jena
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PRESSEMITTEILUNG
Jena/gc. Die Alpen sind das größte Gebirge im Herzen Europas: über 4.000 Meter hoch türmen sich seine Gipfel. Und bis heute verändert das Gebirge seine Form. „Die Gebirgsbildung in den Alpen findet weiterhin statt“, weiß Prof. Dr. Kamil Ustaszewski von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.


Ursache für dieses in menschlichen Zeiträumen kaum wahrnehmbare Wachstum ist die Kontinentaldrift der afrikanischen Platte, deren nördlicher Ausläufer bis zur Adria reicht. „Mit einigen Millimetern pro Jahr wandert der afrikanische Kontinent nach Norden und rammt dabei das europäische Festland“, beschreibt der neue Professor für Strukturgeologie, der gerade von der Freien Universität Berlin nach Jena wechselte. Die Strecke München - Venedig habe sich dadurch in den vergangenen rund 20 Millionen Jahren um etwa 200 Kilometer verkürzt.

Anhand dieser „Knautschzone“ zwischen den Kontinenten analysiert der 39-Jährige den Prozess der Gebirgsbildung und will rekonstruieren, wie die heutige Konfiguration der Plattengrenzen in den Alpen zustande kam.

„Dazu nutzen wir in erster Linie vorhandene Daten zu Verkürzungsbeträgen sowie zu Zeitmarken der Verformung aus einem Gebiet, welches den gesamten Gebirgsbogen der Alpen, Karpaten und Dinariden umfasst“, erläutert Ustaszewski. Nach umfangreichen Literaturrecherchen kombiniert er sämtliche vorhandenen Daten mit eigenen Abschätzungen und rekonstruiert die zeitliche Abfolge der tektonischen Vorgänge. Auf diese Art entsteht eine Art Zeitrafferfilm – von heute bis 84 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit.

Doch nicht nur an den Alpen ist der gebürtige Pole mit österreichischem Pass der Kontinentaldrift auf der Spur. Auch dort, wo die Plattentektonik mit sieben bis acht Zentimetern pro Jahr ihren Geschwindigkeitsrekord hält, hat er bereits geforscht: in Taiwan. Direkt unter der Insel im West-Pazifik kollidieren die eurasische Platte und die philippinisch-ozeanische Platte. „Doch während im Süden von Taiwan die eurasische unter die ozeanische Platte abtaucht – subduziert –, kehrt sich die Anordnung der tektonischen Platten an der Nordspitze Taiwans um“, so der Geologe, der 2008 und 2009 als Postdoc auf Taiwan gearbeitet hat.

Für diesen weltweit sehr seltenen Richtungswechsel in der Subduktionsrichtung hat Ustaszewski gerade anhand geophysikalischer Daten ein dreidimensionales Modell entwickelt, welches dieses Phänomen in bislang unerreichter Auflösung veranschaulicht.

Kamil Ustaszewski hat an der Uni Innsbruck Geologie studiert und ging anschließend an die Uni Basel. Dort wurde er 2004 über aktive Tektonik im nordwestlichen Alpenvorland promoviert und hat bis 2007 als Postdoc weiter am Institut für Geowissenschaften über Gebirgsbildung am Balkan geforscht, bevor er an die National Taiwan University in Taipei wechselte. Es folgten ein dreijähriger Forschungsaufenthalt am Geoforschungszentrum Potsdam und ein Jahr an der FU Berlin.

An der Uni Jena wird sich der Vater von zwei Kindern im Vorschulalter nun – neben seinem Schwerpunkt, der Tektonik von Gebirgen – unter anderem auch mit dem Thema Geothermie befassen. In einem gerade gestarteten von den Ländern Sachsen und Thüringen finanzierten Forschungsprojekt, wird er mit Partnern aus Sachsen in einem Testgebiet im Thüringer Wald eine Machbarkeitsstudie zur Wirtschaftlichkeit tiefer Geothermie für Mitteldeutschland erstellen.

Bildunterschrift:
Strukturgeologe der Uni Jena, Prof. Dr. Kamil Ustaszewski. Fotos: Jan-Peter Kasper/FSU

Kontakt:
Prof. Dr. Kamil Ustaszewski
Institut für Geowissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Burgweg 11
07749 Jena
Tel.: 03641-948623
kamil.u@uni-jena.de

Aussender:
Dr. Ute Schönfelder
Stabsstelle Kommunikation
Pressestelle
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Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641-931041
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