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Sonntag, 26. Januar 2014

Auschwitz Spur nach Mecklenburg

Späterer Kommandant begann Karriere bei Parchim
von Ralph Martini
BERICHT
Schwerin/gc. Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Einheiten das in Polen liegende deutsche Vernichtungslager Auschwitz, das seit dem Tag seiner Befreiung das Symbol für den Holocaust ist. Seit Mai 1940 war Rudolf Höß dort Lagerkommandant. Sein blutiges Wirken lässt sich bis nach Mecklenburg zurückverfolgen.

In der Zeitung „die straße“ hat der ehrenamtlich tätige Autor und Heimatforscher Ralph Martini (62) mit dem Artikel „Ein Mord, der für Schlagzeilen sorgte“ die blutigen Wurzeln des späteren Massenmörders in Mecklenburg offengelegt.

Parchimer Fememord
Der Fall Walter Kadow

Das Dorf Neuhof liegt an der Landstraße, die Parchim mit Crivitz verbindet. Hier, in einem Wald nahe der Ortschaft, ereignete sich 1923 eine Bluttat, die deutschlandweit für Schlagzeilen sorgte. 

Der kaiserliche Ex-Oberleutnant Gerhard Roßbach gründete im Mai 1920 die rechte „Arbeitsgemeinschaft Roßbach e.V.“ Deren Zweck bestand darin, ehemalige Kämpfer auf Gütern in Mecklenburg, Pommern und Schlesien, als landwirtschaftliche Hilfskräfte getarnt, unterzubringen.

Im Kreis Parchim war 1922 von ehemaligen Offizieren und Gutsbesitzern der näheren Umgebung die „Reit- und Fahrschule“, eine äußerst militante Organisation, gegründet worden. Sie machte durch Zusammenstöße, vor allem mit kommunistischen Landarbeitern, von sich reden.

In Westmecklenburg fanden sich Gutsbesitzer, die die Roßbacher beschäftigten. Zu ihnen gehörte der Herzberger kaiserliche Oberstleutnant a. D. Hermann von Treuenfels. Sein Gut mit über 1.000 Hektar war eines der größten in der Umgebung. Martin Bormann, der spätere „zweite Mann“ im Dritten Reich, war bereits 1920 im Auftrag der Roßbacher als Abschnittsleiter der Organisation in Herzberg tätig.

Der Besitzer des Gutes Neuhof, Rudolf Schnürgen, beschäftigte 25 Roßbachleute. Sie waren unmittelbar an der Landstraße nach Crivitz untergebracht. Zu ihnen gehörte auch Rudolf Höß, der spätere Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz.

Auf dem Rittergut in Herzberg hatte sich im Februar 1923 ein gewisser Walter Kadow gemeldet. Er äußerte den Wunsch, in die Reihen der Roßbachleute aufgenommen zu werden. Schon bald wurde der 1900 in Hagenow geborene Mann verdächtigt, einer kommunistischen Jugendgruppe anzugehören. Gerüchte gingen um, Kadow sei Autor der „Volkswacht“, einer KPD-Zeitung. Martin Bormann, der Geschäftsführer des Gutes Sternberg, fasste den Beschluss: Der Verräter muss weg. Am 31. Mai 1923 besuchte Walter Kadow in den Abendstunden die Gaststätte Luisenhof in Parchim. Hier warteten bereits mehrere Roßbacher auf ihn. Es wurde viel getrunken. Angeblich wurde bei Kadow eine Mitgliedskarte der Kommunistischen Jugend gefunden. Kadow wurde überredet, eine Kutsche zu besteigen. Sie hielt in einem Waldstück bei Neuhof. Hier wurde Walter Kadow nachts durch zwei Kopfschüsse getötet, einer der Mörder durchtrennte seinen Hals. Rudolf Höß und ein weiterer Begleiter verscharrten die Leiche.

Am 26. Juni 1923 erschien der erste Artikel über den Neuhofer Mord. Kriminalistische Ermittlungen führten schnell zur Festnahme der Täter. Die Verhandlung gegen Rudolf Höß und die anderen fand vom 12. bis zum 15. März 1924 am Staatsgerichtshof Leipzig statt. Höß erhielt eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren, aber war bereits 1928 aufgrund einer Amnestie frei.

Das Verbrechen von Neuhof ging als Parchimer Fememord (politisch motivierter Mord) in die deutsche Kriminalgeschichte ein. Die Karriere von Rudolf Höß ging folgerichtig weiter. Ihren Höhepunkt erreichte sie in den fünf Jahren als Lagerkommandant von Auschwitz. Bis zum 27. Januar 1945 wurde unter Höß Befehl millionenfach in Auschwitz gemordet. Rudolf Höß wurde am 16. April 1947 gehängt. Bis zum Schluss glaubte er, nicht verurteilt zu werden, weil er nur auf Befehl gehandelt habe.

Bildunterschrift:
Rudolf Höß wurde als ehemaliger Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz an der Stätte seiner größten Verbrechen hingerichtet. Foto: Wikimedia Commons
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