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Sonntag, 16. März 2014

Wo stinkt der Fisch zuerst?

Gespräch mit Unternehmensberater Jürgen Rathje 
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Schwerin/gc. Auf Menschen, die in Pflegeberufen tätig sind, lastet ein riesiger Druck. Personalknappheit, Fachkräftemangel, Pflege nach Stoppuhr, hohe Krankenstände, Überstunden, Schichtdienste, Personalfluktuation, anspruchsvolle Patienten und fordernde Angehörige sowie eine wahre Dokumentationsflut in Verbindung mit einem hohen staatlichen Kontrolldruck sind die Wegmarken, die deren Arbeitstag markieren. Hinzu kommt, dass die Gründer der ersten Stunde dabei sind, ihre Unternehmen an die nächste Generation abzugeben.

Sind Management, gute Pflege und
Mitarbeitergesundheit unter einen Hut zu kriegen?
Rathje: Ja, man muss es wollen, organisieren und durchsetzen.

Wer muss was wollen?
Rathje: Zunächst müssen es die Firmenchefs und die Führungskräfte wollen. Die Mannschaften: Pflege, Hauswirtschaft, die Köche ..., wollen sowieso ruhig und ordentlich arbeiten.

Und den Chefs ist‘s egal?
Rathje: Nein, auch sie haben viel um die Ohren. Zu allem, was oben genannt wird, kommt hinzu, dass jeder einzelne Mitarbeiter natürlich auch seine ganz eigenen Probleme hat: Kinder, Beziehungen, Freizeit, Eltern, Schwiegereltern, die eigene Gesundheit, Stress, häusliche Erledigungen ... Die Liste ist lang, da kracht es schnell im Gebälk, bringt miese Stimmung und ein schlechtes Betriebsklima.

Wie soll man gegensteuern?
Rathje: Zunächst müssen sich die Firmenchefs und die Führungskräfte klar machen, was sie gemeinsam anstreben und mit wem sie welche Ziele erreichen können. Das hat nichts mit Zahlen zu tun, sondern mit Menschen. Zum Beispiel kann man ganz tolle Dienstpläne am Computer entwickeln. Aber wenn die Leute nicht miteinander können, wenn sie über- oder unterqualifiziert sind, kommen Spannungen und Frust auf. Also kommt es zuerst nicht auf den schicken Dienstplan an, sondern darauf, wer ihn organisiert. Diese Person muss ein Händchen für die Leute haben und die Prozesse beherrschen. Machtgelüste, Cliquenbildung und regide Befehlsstrukturen sind kontraproduktiv. Ergebnisse sind Krankenstände, Fluktuationen, Ausfälle, Mobbing und Standesdünkel. Ein Beispiel. Die Reinigung ist gerade durch, da verliert ein Bewohner sein Taschentuch. Es gibt Führungskräfte, die räumen das Taschentuch nicht weg. Dafür gibt‘s »Putzen«. Dass auch ein blitzblankes Haus mit diesem Taschentuch schlecht aussieht, wird nicht gesehen.

Wie soll das geändert werden?
Rathje: Es gibt viele Möglichkeiten, die hier den Rahmen sprengen würden. Das besprechen wir beispielsweise auf unserem 10. GMB-Pflegetag am 18. März 2014 in Schwerin. So viel kann ich aber sagen, wer sein Unternehmen allein nach Zahlen regiert, wird nicht überleben. Es gibt zwei Trends: die Großen schlucken die Kleinen – und die Gründer übergeben an die Nachfolger. Wer glaubt, sein Mitarbeiter findet nichts Besseres, ist falsch beraten. Dieses Denken findet sich aber häufig. Hier gilt: Der Fisch beginnt zuerst am Kopf zu stinken.

Bildunterschrift:
Jürgen Rathje, Geschäftsführer der GMB-Beratung für die Gesundheitswirtschaft in Schwerin, und Mitglied der Gesundheitskommission des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern (BVMW). Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
heiko@wruck.org
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