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Dienstag, 8. April 2014

Mitarbeiter sind keine Idioten

Im Gespräch mit Michael Rauch, Unternehmerberater
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Schwerin/gc. Hohe Krankenstände, innere Kündigung, permanente Mitarbeiterfluktuation, Burn out und Mobbing scheinen die bestimmenden Themen der modernen Arbeitswelt zu sein. Gleichzeitig realisieren die Unternehmen sagenhafte Gewinne. Sie expandieren in immer kürzeren Zeiträumen und haben parallel zunehmend Probleme, die richtigen Leute zu finden. Hierzu ein Gespräch mit Unternehmerberater Michael Rauch:

Ist die Gesellschaft noch auf dem richtigen Weg?
Ganz sich nicht. Unser Leben – die Arbeitswelt, das Geschäftsleben, der familiäre Umgang, unser Freizeitverhalten, die Politik und der gesellschaftliche Konsens – ist stark der Spontanität unterworfen. Spontan zu handeln, mag aufregend und kurzfristig erfolgreich sein. Aber die Spontanität kennt keine mittel- und langfristigen Zielstellungen. Die Folge ist, dass immer mehr Menschen das Gefühl haben, ihr Leben sei ein sich immer schneller drehendes Hamsterrad. Sie werden immer atemloser und treten doch auf der Stelle. Das betrifft engagierte Mitarbeiter, Führungskräfte und Unternehmer gleichmaßen.

Einfach einen Gang zurückschalten, und alles ist im Lot?
So einfach ist das nicht. Zunächst gilt es, zwei Überlegungen anzustellen: Was ist für mich wichtig und welche Ziele ergeben sich daraus? Zweitens, wie und unter welchen Umständen kann ich mit wem genau diese Ziele erreichen? Aber genau diese beiden Überlegungen finden nur selten statt. Viele Unternehmer sind nicht in der Lage, klar zu sagen, wo sie mit ihrer Firma in fünf Jahren stehen wollen. Weil sie dieses Ziel nicht haben, haben sie auch keine Zwischenziele auf dem Weg dorthin. Und sie haben keine Mannschaft, mit der sie ihre Ziele erreichen können. Das ist für alle Seiten frustrierend. Es passieren Fehler, es findet keine Kommunikation statt, es gibt keine Entwicklung. Die Folge ist ein schlechtes Betriebsklima. Der Chef denkt, er sei nur von Idioten umgeben. Die Mitarbeiter fühlen sich wie Galeerensträflinge. Und die Kunden empfinden dieAusstrahlung des Unternehmens als un­angenehm. Also wird mit spontanen Entscheidungen versucht, gegenzusteuern. Der Arbeitsdruck wird erhöht, die Gewinne werden maximiert, die Firma entwickelt ein aggressives Marktverhalten. Das mag kurzfristig einen Effekt bringen. Langfristig aber führt dieses Verhalten in den Untergang. Weil die Mitarbeiter eben keine Idioten sind, gehen die besten zuerst. Gute Leute werden heute auf dem Arbeitsmarkt händeringend gesucht, umworben und zu besten Bedingungen eingestellt. Das bemerken auch die Kunden. Sie gehen dorthin, wo sie zuverlässig, qualitätsgerecht, kompetent und feundlichbedient werden. Sie bleiben dort, wo es Spaß macht und wo mitgedacht wird.

Ist das nicht ein bisschen viel Sozialromantik?
Die Leute sollen nur ordentlich arbeiten. Dafür werden sie bezahlt.
Mit Sozialromantik hat das nichts zu tun. Es geht um Werte. Ein Unternehmen sollte so ein Wert sein. Immerhin ist es für die Unternehmer und die Mitarbeiter gleichmaßen Lebensgrundlage. Bei Aktiengesellschaften mag die Empfindung eine andere sein, weil Aktionäre sich nur für Renditen interessieren. Wenn die Renditen nicht stimmen, wechseln sie blitzschnell auf das nächste Pferd. Aber mittelständische Unternehmen sind da sehr viel bodenständiger. Ihr Kundenpotenzial ist meist territorial begrenzt. Das Arbeitskräftereservoire schöpft sich aus dem Regionalen. Wer hier verbrannte Erde hinterlässt, entzieht sich die Geschäftsgrundlage. Persönliche Wertschätzung, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das Unternehmen als Existenzgrundlage sind  viel entscheidender als das Arbeitsentgelt. Das Einkommen muss stimmen. Das war’s auch schon. Gleich danach kommen die Dinge, die wirklich zählen.

Was empfehlen Sie, wenn Sie als Berater gefragt sind.
Ich empfehle jedem sich die Frage zu stellen, wie will er sein Leben leben. Dadurch, dass sich Unternehmer und Mitarbeiter genau für diese Frage selten Zeit nehmen, bleiben sie im Hamsterrad gefangen. Wenn man weiß, wie das Leben verlaufen soll, kommen automatisch die eigene Inspiration, Freude und Begeisterung aus sich selbst wieder hervor. Was gibt es Schöneres, wenn man inspirierte Menschen hat, die nicht mehr motiviert werden müssen, weil der innere Antrieb da ist. Sinngemäß – Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe. Selbstverständlich bedarf es danach auch Teilschritte und Zwischenziele sowie Messpunkte, um notwenige Korrekturen vornehmen zu können.

Wie findet und hält man geeignete Leute?
Wer Mitarbeiter sucht, sollte sie nicht erst werben, wenn er die Leute unmittelbar braucht, sondern ein halbes oder ganzes Jahr vorher. Es spricht auch nichts dagegen, Bewerber ad hoc zu Hause zu besuchen, um deren Umfeld zu sehen. Gute Leute hält man am besten, wenn man ihnen vorlebt, was man verlangt.

Bildunterschrift:
Michael Rauch: „Das Immaterielle macht den kleinen Unterschied, der zwischen Erfolg und Misserfolg entscheidet. Immer mehr Unternehmen begreifen das.“ Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
heiko@wruck.org
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