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Mittwoch, 23. Juli 2014

Uns wurde eine ganze Welt geschenkt

Von Holthusen aus rund um den Globus
von Heiko Wruck
BERICHT
Holthusen/gc. Angelika Gande ist Ingenieurin für Elektrotechnik und Informationselektronik. Das hatte sie in Wismar studiert. Aber ein ruhiger Bürojob war ihr nicht beschieden.


Sie hat im Datenverarbeitungszentrum Schwerin gearbeitet, war in der Bezirksdirektion für Straßenwesen und beim Tiefbaukombinat, wechselte dann zu einem Hersteller für Raumerweiterungshallen nach Boizenburg, kam zurück nach Schwerin und wurde bei Linda Direktorin für Beschaffung und Absatz. Heute ist sie mit drei Firmen selbstständig.

»Zu DDR-Zeiten bin ich zur Arbeit gegangen, habe meine Einkäufe erledigt, mich als alleinstehende Mutter um Kind, Haus, Garten, Auto und auch mal um den FDGB-Urlaubsplatz gekümmert. Das war’s. Mit dem Mauerfall wurde dann alles anders. 

Mein Leben wurde spannender, aufregender, unberechenbarer.« Das Credo der 59-jährigen Unternehmerin aus Holthusen lautet: Wenn du wissen willst, ob’s funktioniert, probiere es aus. Dafür will sie offen sein: offen für Menschen, offen für Kulturen, offen für Chancen.

„Du musst dich nur auf die Welt einlassen, dann kommt die Welt zu dir“, sagt Angelika Gande. Mit so einer Einlassung startete sie ihre erste Firma 1990, einen U.N.-Produktevertrieb. Es folgten eine Personalvermittlung, die weltweit Fachkräfte sucht, nach Mecklenburg-Vorpommern holt und deutsche Fachkräfte weltweit vermittelt, sowie ein ebenfalls weltweiter Recherchedienst. „Ich sehe nicht zuerst die Hindernisse, sondern die Möglichkeiten – im Privaten und im Geschäftlichen. Nichts ist langweiliger als eingefahrene Gleise.“ Und langweilig sind die Aufgaben der Angelika Gande keinesfalls.

Da kommt eine Lieferanfrage nach zwei Tonnen Cymene, ein Erdölderivat für die Kunststoffherstellung, aus dem Nahen Osten. Ein Hotelier an der Ostseeküste braucht von Jetzt auf Gleich zwei Zimmermädchen in Festanstellung. Plötzlich dreht ein Kooperationspartner am Zeiger und stellt ganz unerwartet völlig überzogene Forderungen. Heute sucht sie jemanden, der aus täglich 24 Tonnen Haushaltsmüll Diesel machen möchte.

„Ich finde, mit dem Mauerfall ist Mecklenburg-Vorpommern  wieder in Deutschland und im Baltikum angekommen. Aber erst mit dem Internet ist es auch mit Europa und der Welt wirklich verbunden.“

Aus dieser Verbindung entstand ihr Recherchedienst Findufu, der die internationale Geschäftswelt in­­teressenbezogen an einem Ort versammeln soll. „Je mehr wir von einander wissen, je stärker wir uns austauschen, umso größer ist der Nutzen für alle. Mecklenburg-Vorpommern braucht diesen Austausch wie die Luft zum Atmen. Wer auf Fremdenangst, Ausgrenzung und Abschottung setzt, zeigt, dass er nicht lebensfähig ist.«

9. November 1989
... hmmm anfangs gar nichts Spektakuläres. Ich war ganz normal arbeiten und zum Nachmittag gab es ein paar Gerüchte von der Maueröffnung, die wir nicht geglaubt haben. Es wurde dann jedoch eine Flut. Jeder wollte wissen, was daran ist. Alle wollten nur nach Hause und den Fernseher einschalten. Wir wollten es sehen, nicht nur hören. Dann habe ich geheult, als ich die vielen völlig außer sich jubelnden Menschen gesehen habe, die sich durch die Grenzpunkte quetschten. Es geht mir heute noch genau so, wenn diese Bilder wieder gezeigt werden. Ein absolutes Gänsehautfeeling. Auch nach so vielen Jahren bleibt es für mich unverändert, wie der Duft im Intershop und der Song Hiroshima.

Bildunterschrift:
Von einem kleinen Büro aus in Holthusen spannt Angelika Gande ihre Drähte in die ganze Welt. Egal ob Produkte gesucht werden oder Projekte Unterstützung brauchen, immer geht es dabei zuerst um Menschen. Je besser die sich kennen, umso größer ist der Nutzen für alle. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
heiko@wruck.org
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