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Donnerstag, 2. April 2015

Auch diese Opfer lebten gleich nebenan!

Wittenburger machen ermordete Mitbürger sichtbar
von Heiko Wruck
BERICHT
Wittenburg/gc. Am 31. März 2015, wurden in Wittenburg zwei weitere Nazi-Opfer mit Stolpersteinen sichtbar – Anna und Philip Stiel. Mit Martha und Max Lazarus, die vor einem Jahr sichtbar wurden, hat Wittenburg nun vier Stolpersteine – von 52.000 in ganz Europa.


Sie stehen für jene, die von den Nazis verfolgt, vertrieben, deportiert, ermordet oder in den Selbstmord getrieben wurden. Wittenburg verdeutlicht, dass der Terror gegen Minderheiten, Kranke und Andersdenkende nichts Abstraktes war. Bis in den kleinsten Winkel des nationalsozialistischen Einflussgebietes sorgten willige Helfer dafür, dass Terror und Verbrechen gegen Schulkameraden, Angehörige, Kollegen, Bekannte und Nachbarn wirksam wurden. Stolperstein-Initiator Gunter Demnig war erneut zu Gast, um auch dieses zweite Paar Stolpersteine zu verlegen. Wittenburger Schüler haben gemeinsam mit Projektleiter Gerd Wendt und dem Wittenburger Werbering e.V. Anna und Philip Stiel wieder sichtbar gemacht.


Juden sangen in deutschem Rathaus
Dass jüdischer Gesang aus einem deutschen Rathaus klingt, war über Jahrhunderte undenkbar. Am vergangenen Dienstag, 31. März, war dies in der Kleinstadt Wittenburg Wirklichkeit. Der Anlass dafür war traurig und fröhlich zugleich. Für die von den Nationalsozialisten ermordeten jüdischen Mitbürger in Wittenburg, Anna und Philip Stiel, hatte der Künstler Gunter Demnig 30 Minuten vor der Feststunde im Rathaus an der Großen Straße 67 zwei Stolpersteine verlegt. Soweit der sehr traurige Anlass für den Chorauftritt. Dass jedoch Anna und Philip Stiel zurück ins öffentliche Bewusstsein kamen, verdanken sie der akribischen Arbeit der Schüler der Klassen 10a und 10b des Gymnasialen Schulzentrums Wittenburg, ihres Projektleiters Gerd Wendt sowie dem Wittenburger Werbering e.V., der die Patenschaft und die Kosten für die Stolpersteine übernommen hat. Dies ist ein sehr guter Anlass – zeigt er doch, dass jüdisches Leben und jüdische Kultur eine neue Heimat in Deutschland gefunden haben.



Wittenburgs Bürgermeisterin Dr. Margret Seemann begrüßte neben dem Synagogalchor „Masel Tov“ aus Schwerin auch MVs neuen Landesrabbiner Yuriy Kadnykov, der seit dem 1. April die Nachfolge von William Wolff angetreten hat. Auch dem neuen Rabbiner war die Freude deutlich anzusehen, in Wittenburg willkommen zu sein. Stolpersteine, ein Rabbiner und jüdische Lieder in deutschen Rathäusern sind leider auch heute längst keine Normalität. Die NPD sitzt in MVs Landtag, Pegida und Konsorten schüren Ausgrenzung, Fremdenhass, Gewalt und Ängste. Dem gilt es, offen entgegenzutreten.




Bildunterschrift 1:
Gunter Demnig verlegte in Wittenburg, Große Straße 67, zwei neue Stolpersteine – diesmal für die Juden Anna und Philip Stiel. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 2:
Wittenburger holten ihre von den Nationalsozialisten ermordeten jüdischen Mitbürger zurück ins öffentliche Bewusstsein. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 3:
Yuriy Kadnykov, neuer Rabbiner in Mecklenburg-Vorpommern. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 4:
Der Synagogalchor „Masel Tov“ gab im Wittenburger Rathaus den musikalischen Rahmen für das Gedenken an Anna und Philip Stiel. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
heiko.wruck@t-online.de
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