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Montag, 14. Dezember 2015

Frühwarnsystem bei Terroranschlägen

Spieltheorie erleichtert Entscheidungsfindung
Redaktion: Universität der Bundeswehr München
PRESSEMITTEILUNG
Neubiberg/gc. London, Madrid, der vereitelte Anschlag auf den Thalys-Zug im August 2015 – der Bahnverkehr in Europa ist in den letzten Jahren mehrmals in das Visier von Terroristen geraten. Die wenigen Kontrollen und die Anwesenheit von vielen Menschen erhöhen die Terrorgefahr. Um in Krisen besser reagieren und intervenieren zu können, entwickelt das Team der Professur für Operations Research an der Universität der Bundeswehr München ein Risikomanagement für Bahngesellschaften.


Risiken und Kosten der terroristischen Bedrohungen des schienengebundenen öffentlichen Personenverkehrs – dafür steht die Kurzforum RiKoV des Projekts, das Prof. Pickl, Professur für Operations Research, in einem Forschungsverbund am Institut für Informatik der Universität der Bundeswehr München koordiniert. Projektpartner sind die Technische Hochschule Köln und das Karlsruher Institut für Technologie sowie die Airbus-Sparte Defence & Space. Im Hinblick auf ein späteres konkurrenzfähiges Produkt für privat-wirtschaftliche Akteure arbeitet das Team in der Entwicklung und Umsetzung des umfassenden Risikomanagements eng mit der Deutschen Bahn, der Kölner und der Münchner Verkehrsgesellschaft zusammen. Die Projektbeteiligten leisten mit RiKoV einen Beitrag zu den Forschungsthemen „Sicherheitsökonomie“ und „Sicherheitsarchitektur“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Entscheidungskatalog für den Notfall
„Sowohl öffentliche als auch sicherheitspolitische Debatten über Terrorismus beschränken sich hauptsächlich auf den Flugverkehr, obwohl Anschläge auf das Schienennetz wie zum Beispiel in Madrid 2004 oder London 2005 von ihren ökonomischen wie gesellschaftlichen Folgen ebenso verheerend sind“, sagt Prof. Pickl. Noch dazu führten die fehlende Alternative zu öffentlichen Verkehrsmitteln sowie der Stellenabbau in der Branche dazu, dass sowohl die tatsächliche als auch emotionale Wahrscheinlichkeit eines Anschlags steigen.

RiKoV analysiert terroristische Angriffe auf den öffentlichen Personenverkehr: Bahngesellschaften können so das mögliche Verhalten des Angreifers und die Folgen seiner Tat besser einschätzen. Mit Hilfe quantitativer Methoden und Modelle sowie spieltheoretischer Betrachtungen erleichtert Operations Research eine Entscheidungsfindung in Krisensituationen. Simulationen, die bereits im Vorfeld oder während einer kritischen Situation durchgeführt werden, geben dem Bahnpersonal einen Entscheidungskatalog mit möglichen Sicherheitsmaßnahmen vor, die sie je nach Kosten und Nutzen im Notfall anwenden können.

Praxisnahe Forschung
Da die externen Partner aus Bahnverkehr und Sicherheitstechnik ihre Expertise und Erfahrungen direkt in den Forschungsprozess einfließen lassen, wird sichergestellt, dass Bahnhöfe, Passagierzüge, Schienensystem und Leitstellen tatsächlich und ohne erneute Nachjustierung von den Ergebnissen des Verbundprojekts profitieren können. In das Projekt sind daher auch mehrere Realübungen eingebettet – die insgesamt größte fand im Mai 2015 in Köln statt. Die Forscherinnen und Forscher testeten so die Praxistaug-lichkeit der theoretischen Methoden und Ergebnisse aus dem Projekt und trainierten die Zusammenarbeit mit den Einsatzkräften aus Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst sowie dem Ordnungsamt und den Kölner Verkehrs-betrieben. 100 Studierende der Fachhochschule Köln griffen auf ihre schau-spielerischen Fähigkeiten zurück und stellten in einer realistischen Testumgebung die Folgen eines Anschlags nach. Das wissenschaftliche Team interessierte sich dabei besonders für die algorithmische Analyse der Sensordaten sowie den Einsatz digitaler Informationszentralen – sogenannte Management Cockpits –, um Lagebilder künftig schneller erfassen und analysieren zu können.

Ausweitung auf andere Krisensituationen
RiKoV bezieht mit seiner ganzheitlichen Herangehensweise sowohl technische Komponenten mit ein, als auch mögliche Verhaltensszenarien der Beteiligten und versucht gleichzeitig, ihre Privatsphäre zu wahren. Daher werden die Sicherheitsmaßnahmen auch daraufhin geprüft, ob sie bei ihrer Realisierung hohen rechtlichen Maßstäben genügen und welche juristischen Auswirkungen bei ihrer Implementierung auftreten können. Eine Anwendung der Krisenpläne beschränkt sich mit diesem umfassenden Ansatz nicht nur auf den Bahnverkehr, sondern kann auch auf andere Krisensituationen ausgeweitet werden.

Prof. Pickl und sein Team freuen sich über den Erfolg des Projekts. „Die Aktualität und positive Aufmerksamkeit auf dieses Projekt hat alle Beteiligten positiv überrascht“, sagt Dr. Martin Zsifkovits, Co-Projektleiter und Habilitand an der Professur für Operations Research. Auch der ehemalige Sicherheitschef des Frankfurter Flughafens, Volker Zintel, ist begeistert: „Ich hätte nie gedacht, wie vielfältig Operations Research eine solche komplexe Übung unterstützen kann.“

In einem Folgeprojekt testet die Professur für Operations Research eine Anwendung und Weiterentwicklung des Risikomanagements im französischen TGV-Netz. Somit wird das Projekt in den nächsten zwei Jahren weitergeführt, RiKoV wird europäisch.

Aussender:
Universität der Bundeswehr München
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