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Montag, 29. Februar 2016

Den Letzten beißen die Hunde

Gespräch mit Detlef Strohkirch, Securitas Deutschland
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Schwerin/gc. Eine Frau besucht ein Clubkonzert. Hauptsächlich Männer toben im Dunkel zu hartem Rock. Einer setzt sich zu ihr auf die Treppe. Plötzlich packt er sie an Hand und Arm und will sie wegzerren. Ihr Lebensgefährte greift ein. Es gelingt den beiden, den Angriff abzuwehren. Die Frau wird hysterisch und flüchtet mit ihrem Lebensgefährten. Kopflos und verstört treffen sie auf zwei Einlasskräfte. Die jedoch bleiben sitzen. Das Paar flüchtet panisch weiter. Erst sehr viel später stoppen  sie ein Polizeifahrzeug und bitten die Beamten, in dem Club nach dem Rechten zu sehen, denn die Frau fürchtet um ihre Schwester, die im Club ist. Die Sache geht glimpflich aus. Aber die angegriffene Frau empört sich über die mangelnde Sicherheit der  Veranstaltung.


Herr Strohkirch, ist die Dame nicht doch zu zimperlich?
Nein. Hier wurde offenbar im Schutz der Masse, umgeben von Lärm und Dunkelheit, eine Frau tätlich angegriffen. Das sollte nicht bagatellisiert werden.

So was kann überall passieren.
Jeder Veranstalter ist ohne Wenn und Aber für die Sicherheit jedes einzelnen Gastes persönlich verantwortlich. Das gilt für gewerbliche und kommunale sowie für von Vereinen organisierte Veranstaltungen. Dabei ist der Charakter der Veranstaltung unerheblich: Buchlesung, Tanztee, Liederabend, Clubkonzert, Fußballspiel, Stadion-Event, eine Auto­schau unter freiem Himmel oder eine Hausmesse ... Jeder Veranstalter haftet persönlich für das Wohl jedes einzelnen Besuchers. Die Vorschrift hierfür ist die Versammlungsstättenverordnung für Mecklenburg-Vorpommern.

Diese Vorschrift hätte den Angriff auch nicht verhindert.
Aber sie regelt sicherheitsrelevante Aspekte. Erfordert es die Art der Veranstaltung, hat der Betreiber ein Sicherheitskonzept und einen Ordnungsdienst einzurichten. Dieser Ordnungsdienst muss unter Leitung eines Ortnungsdienstleiters stehen. Die Ordnungskräfte sind insbesondere für die Kontrolle an Ein- und Ausgängen, Zugängen zu Besucherblöcken, für die Beachtung der maximal zulässigen Besucherzahl, die Beachtung von Verboten (z.B. Rauchen), für Sicherheitsdurchsagen, geordnete Evakuierungen ... zuständig.

Wollen wir nicht die Kirche im Dorf lassen?
Hier ging es nur um einen übergriffigen Gast.
Das sieht man nur gelassen, so lange niemand geschädigt wird.
Wäre die Dame bei dem Gerangel unglücklich gestürzt und hätte sie sich dadurch schwer verletzt, stünde der Konzertveranstalter in der Verantwortung.

Aber es waren doch Studenten als Einlasser beschäftigt.
Der Teufel steckt im Detail. Veranstaltereigene Ordnungskräfte brauchen keine Sicherheitsausbildung. Veranstalterfremde Kräfte aber schon. Waren Studenten die Einlasskräfte, ist zu klären, ob sie auch als Ordner gearbeitet haben. Waren sie als geringfügig Beschäftigte per Vertrag als direkte Mitarbeiter des Ver­anstalters tätig? Oder waren sie freie Honorarkräfte? Dann brauchen sie zwingend einen Ausbildungsnachweis. Ohne diesen  bekommen nicht nur die Studenten, sondern auch der Veranstalter Probleme.

Das wird doch unbezahlbar.
Ein Sicherheitskonzept und stundenweise eingesetzte Ordnungskräfte kosten nicht die Welt. Nach dem Motto zu verfahren, das hat 30 Jahre funktioniert und wo kein Kläger, da kein Richter, ist eine riskante Praxis. Jeder Geschäftsführer sollte sich fragen, was genau mit ihm persönlich passiert, wenn der Fall der Fälle eintritt. Ob es sich dabei nur um einen einzigen übergriffen Gast oder um eine Gruppenpanik handelt, ist völlig irrelevant. Am Ende wird immer jemand persönlich die konkrete Verantwortung tragen.

Was ist Veranstaltern zu raten?
Ordnungs- und Sicherheitskräfte müssen in Stress- und Gefahrensituationen zuverlässig reagieren. Es sollte immer ein schriftliches Sicherheitskonzept geben. Ordnungs-, Einlass- und Sicherheitskräfte sollten vor der Veranstaltung in ihre Aufgaben, Zuständigkeiten und Verhaltensweisen eingewiesen werden. Diese Einweisungen sollten schriftlich fixiert und von den Eingewiesenen per Unterschrift bestätigt werden. Vorher ist eindeutig zu klären, ob es sich um veranstaltereigene oder um veranstalterfremde Kräfte handelt.

Bildunterschrift:
Detlef Strohkirch, Leiter des Ausbildungszentrums Schwerin der Securitas Deutschland: „Ein Veranstalter ist für die Sicherheit jedes einzelnen Besuchers persönlich verantwortlich. Und zwar immer und ausnahmlslos.“ Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
heiko.wruck@t-online.de
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