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Sonntag, 5. Juni 2016

Es gibt einfach zu viele Kühe

... meint Christian Schmidtke und frühstückt unkünstlerisch
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Schwerin/gc. Künstlerfrühstück: Kaffee und Zigarette morgens um 11 Uhr?
Mit dem Frühstück sind wir, außer an den Wochenenden,  gegen 6.30 Uhr durch. Unsere Tochter muss ja auch zur Schule. Brötchen, Marmelade, Honig aus der Region und Cappuccino gibt’s für mich. 8 Uhr beginnt der Arbeitstag, ab 10 Uhr bin ich meistens in meinem Atelier.


Kann man von der Kunst heute schlecht oder gut leben?
Irgendwas dazwischen. Mal geht es besser, mal nicht. Wirtschaftliche Kontinuität ist wichtig. Die meisten Aufträge werden auch bei Künstlern und Kreativen über den Preis gemacht. Das betrifft sowohl den künstlerisch-handwerklichen als auch freien künstlerischen Markt.

... aber man kann mit Ausstellungen für sich werben.
Für Ausstellungen sind Behörden, Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen gerne bereit, Räume zu stellen. Von den Eintrittsgeldern, wenn überhaupt welche erhoben werden, kriegt der Künstler meistens nichts oder nur sehr wenig. Aber er trägt die Kosten für Rahmen, Aufhängungen, die Anfertigung und den Transport seiner Kunstwerke. Der Künstler kriegt selten Honorar, dafür braucht er dann auch keine Miete zu zahlen. Die Ausstellung wäre gut für die Eigenwerbung und den Bekanntheitsgrad des Künstlers. Und vielleicht kommen dann andere, die bei ihm was kaufen.

So tragen beide das Risiko der Ausstellung.
Es ist so, als ginge man in ein Restaurant und sagt dem Wirt: Ich komme mal mit einer kleinen Gruppe von Leuten vorbei. Wir essen bei dir ein Drei-Gänge-Menü. Quasi als Probeessen. Das bezahlen wir natürlich nicht. Aber wenn es uns gefällt, sagen wir allen anderen, dass man bei dir richtig gut essen kann. Man kann die Leute zwar ein wenig mit Sekt, Kaffee und Kuchen zur Vernissage locken. Tatsächlich gekauft wird auf Ausstellungen eher selten was. Außerdem gehen auch nicht so viele Leute in Ausstellungen. Sich nach Feierabend oder an den Wochenenden andere Einblicke zu verschaffen, ist den meisten Leuten zu viel. Man trifft sie eher auf rummelartigen, marktschreierischen Auftrieben mit speziellem Themenangebot: Töpfer-, Handwerks-, Trödel-, Floh- und Mittelaltermärkte werden gut besucht. Nicht Kunstausstellungen.

Wo und wie verdienen Künstler dann ihr Geld?
Das ist sehr breit gestreut. Natürlich verkaufen sie auch was. Viele leisten Auftragsarbeiten, andere restaurieren alte Stücke oder bauen sie nach. Manche geben Workshops. Wieder andere Künstler halten Vorträge, veranstalten individuelle Modellsitzungen, Dekorieren, Musizieren oder organisieren Veranstaltungen, geben Kurse, halten Seminare, arbeiten in der Senioren-, Kinder- und Jugendbildung.

... jeder nur für sich alleine?
Meistens ja. Kreative haben drei Probleme: sie sind oft weniger gute Kaufleute, sie sind schlecht organisiert, und heute ist jeder ein Künstler. Es ist ein bisschen so wie aktuell mit den Milchbauern in Deutschland und in Europa. Es gibt einfach viel zu viele Kühe, die viel zu viel Milch produzieren. Und die wird dann billig von überallher angekarrt. Kostet ja nichts. Echte Kunst braucht Gönner.

Zur Person
Die bildenden Künstler schmücken Räume und machen diese lebens- und erlebenswert, meint Christian Schmidtke, aber sie werden eher selten dafür und dann auch nur viel zu gering entlohnt.

Berufliches:
1994 - 1997 Ausbildung zum Bäcker und etwa ein Jahr als Bäckergeselle in Hagenow gearbeitet; 1998 - 2011 bei der Depesche Vertrieb GmbH & Co. KG in Geesthacht in den Bereichen Lithografie, Produktfotografie, Produktgestaltung bis zur Druckvorstufe (hier fand er seine berufliche Prägung);  2006 nebenberuflicher Einstieg als freier Fotograf: Event, Hochzeit ... 2011 - 2014 Designstudium an der Design-Schule Schwerin, seit 2014 freier Fotograf und Grafikdesigner mit Atelier, arbeitet im Kunst-Wasser-Werk e. V.

Privates:
1977 geboren und aufgewachsen in Hagenow; 2005 geheiratet, eine Tochter, er liebt Kunst und Kultur, das Reisen, Farben und Licht, Grautöne und Schatten sowie die Flüchtigkeit des Augenblicks

Bildunterschrift:
Christian Schmidtke: Der Fotograf und Grafikdesigner hat sich mit anderen Künstlern im Kunst-Wasser-Werk e. V. zusammengetan, um durch gemeinsame Aktivitäten bessere Synergien entwickeln und Kopplungsgeschäfte aufbauen zu können. Inseldenken ist seine Sache nicht, wohl aber, Brücken zu bauen. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
heiko.wruck@t-online.de
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