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Freitag, 16. Dezember 2016

Wer nicht kämpft, hat verloren,

... sagt Doreen Liedtke-Uymaz und frühstückt herzhaft
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Schwerin/gc. Wie beginnt der Tag, wenn man nicht zur Arbeit muss?
Wir stehen um 5.30 Uhr auf, dann frühstücke ich mit meinem Jüngsten. Mein Frühstück ist meistens herzhaft: Kichererbsen, Fladenbrot, Petersilie, Tomaten und Kaffee – das ist so ein bisschen orientalisch.


Wenn man sein Auskommen mit der Rente hat,
warum sich dann noch zusätzlich ein Ehrenamt aufladen?
Der Kontakt zu anderen Menschen ist mir sehr wichtig. Dabei geht es aber weit über den üblichen Small Talk hinaus. Es geht darum, wirklich Sinnvolles zu tun. Schon früh habe ich mit Leuten zu tun gehabt, die in schwierigen sozialen Situationen leben. Solche Situationen habe ich auch selbst erfahren und kann mich deswegen gut in diese Menschen hineindenken. Die Dankbarkeit, die ich durch Menschen erfahre, denen ich konkret helfen konnte, ist eine sehr positive Erfahrung und eine große Bestätigung für mich. Und das Ehrenamt gibt mir auch eine Tagesstruktur. Jeden Mittwoch bin ich von 10 bis 11 Uhr im Bunten Q in Schwerin zu finden. Auf diese Sprechstunden bereite ich mich umfangreich vor, damit ich Menschen, in schwierigen sozialen Lagen helfen kann.

Wie sieht die Hilfe aus?
Das ist ganz unterschiedlich. Manchen helfe ich beim Ausfüllen von Formularen. Anderen helfe ich, die Behördenbriefe zu verstehen. Manchen kann ich Möglichkeiten aufzeigen, welche Hilfen sie beim Amt in Anspruch nehmen können oder zu welchen Stellen sie gehen müssen, um Hilfe zu bekommen. Es kommt auch vor, dass ich mit Behördenmitarbeitern über noch nicht genutzte oder neue Möglichkeiten spreche.

Also beraten Sie Ihre Klienten?
Nein, eine Beratung im klassischen Sinn ist das nicht, und ich habe auch keine Klienten. Es ist wie ein Gespräch mit Freunden, Verwandten oder Bekannten, wenn man Probleme erörtert und Lösungen sucht. Der eine weiß etwas, was der andere nicht kennt ... Manchmal braucht jemand auch nur eine Rückenstärkung, weil er sich allein überfordert fühlt. Und es gibt auch keine Bezahlung für diese Hilfen.

Wäre das nicht eigentlich Aufgabe der Amtsmitarbeiter?
Ja, ganz klar. Da das aber von Staatsseite nicht konsequent umgesetzt wird, versuche ich unter anderem offene Fragen zu beantworten, unbürokratisch da zu sein. Meine Hoffnung ist, dass sich das in unserem Sozialstaat zügig ändert. In den Sozialbehörden begegnen sich die Mitarbeiter und deren prekär lebende „Kunden“ an einer Konfliktlinie. Das ist immer emotionsgeladen und für beide Seiten nicht einfach.

Gibt’s eine Alternative?
Das bedingungslose Grundeinkommen kann eine Alternative sein, so wie bei mir die Erwerbsunfähigkeitsrente. Sie gewährleistet ein schmales, aber menschenwürdiges Einkommen und macht frei.

Bildunterschrift:
Doreen Liedtke-Uymaz: „Seit dem 1. August 2016 wird beim Jobcenter nur noch Geld gegen die staatliche Leistung gegengerechnet. Vorher wurden auch Warengutscheine zum Nachteil der Leistungsbezieher angerechnet. Das ist heute nicht mehr so.“ Foto: Heiko Wruck

Zur Person
Das bedingungslose Grundeinkommen kann die Menschen frei von ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen, und damit frei von Altersarmut machen, sagt Doreen Liedtke-Uymaz, die selbst dauerhaft eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht und dennoch nicht im Müßiggang verharrt. Sie will der Gesellschaft etwas zurückgeben.
Berufliches: 1990 - 1992 Ausbildung bei der Deutsche Post Schwerin; Schalterangestellte bei der Deutschen Post in Frankfurt am Main; 2001 - 2012 arbeitssuchend; ab 2012  berentet
Privates: geboren  1973, in Crivitz zur Schule gegangen; geschieden, drei Kinder (22; 19 und 14 Jahre alt), seit 1995 ehrenamtlich ohne öffentlichen Rahmen tätig im Bereich Sozialinformation, seit 2016 ehrenamtlich im Bunten Q Schwerin – betreut heute dort das Projekt Sozialinformation; Hobbys: Fotografie (Natur, Landschaft, Tiere), andere Kulturen, Kochen, Dokumentationen aus anderen Ländern

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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