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Mittwoch, 4. Januar 2017

Unter einem zweiten Kaffee ...

geht bei Dr. Detlef Schumacher das Frühstück gar nicht
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Schwerin/gc. Frühstücken Sie?
Zu meinem täglichen Frühstück gegen 6.10 Uhr gehören ein Brötchen, manchmal Honig oder Wurst, eine zweite Tasse Kaffee und meine Frau.


Finden Sie Gesundheits-Apps gut, die ständig überwachen?
Ich nutze keine dieser Apps, weil ich nicht ständig überwacht werden will. Deswegen lehne ich diese Technologie nicht ab. Sie kann sehr sinnvoll sein, wenn sie hilft, die Gesundheit ins eigene Bewusstsein zu rücken, wenn sie motiviert, regelmäßig etwas für die Gesundheit zu tun. Sie ist sinnvoll, um rechtzeitig oder schnell auf gesundheitliche Veränderungen zu reagieren.

Wird heute gesünder gelebt?
Mein Eindruck ist, dass die jungen Leute heute gesundheitsbewusster leben. Sie achten mehr auf ihre Ernährung. Rauchen und Alkoholkonsum nehmen  ab. Exessive Lebensweisen sind weitgehend von informationsbezogenen Verhaltensmustern abgelöst. Nicht zu vernachlässigen sind Modeerscheinungen – Vegetarismus, Veganismus, die Neigung, Nahrungsergänzungsmittel oder Leistungssteigerer zu benutzen. Ich meine, es kommt auf die Ausgewogenheit an. Bei Risikofaktoren sollte man immer vorsichtig sein. Das Wohlbefinden ist wichtig.

Spielen Kosten und Nutzen in der Medizin heute stärker eine Rolle als früher?
Sie haben immer eine starke Rolle gespielt. In der Medizin geht es immer um Ressourcen. Jahrtausendelang wurden Ärzte von Patienten bezahlt. Heute haben wir eine Hochleistungsmedizin, die der Einzelne nicht bezahlen kann. Es bedarf also eines tragfähigen Solidarsystems.

Hippokratischer Eid und Ökonomie, gelingt das wirklich?
Heute erhalten auch über 80-Jährige Herzklappen, wenn das sinnvoll ist. Früher war das nicht so. Nicht nur, weil die Technologie nicht vorhanden war, sondern auch wegen eines anderen ökonomischen Denkens. Unsere Ansprüche an das Leben haben sich geändert. Wir leben heute in einer Verantwortungsgemeinschaft. Dazu gehört, Älteren und Schwerstkranken eine möglichst gute Lebensqualität zu ermöglichen – es ist das Spannungsfeld zwischen dem ökonomisch Möglichen und dem medizinisch Sinnvollen.

Wie zeigt sich das?
Bis Anfang der 2000er haben Intensivmediziner häufig alles Machbare unternommen, um das Leben zu verlängern. Auch dann, wenn das Ende unmittelbar absehbar war. Heute werden Therapieziele mit dem Patienten vereinbart. Wenn diese Ziele trotz modernster Technologie nicht zu erreichen sind, werden Therapiezieländerungen vereinbart – zusammen mit dem Patienten. Die Ärzte haben gelernt, sich selbst bzw. ihre Möglichkeiten zurückzunehmen, wenn es der Wille des Patienten ist oder diese medizinisch nicht mehr indiziert sind. Eine Patientenverfügung, die heute 30 bis 4 0 Prozent meiner Patienten haben, ist dabei sehr hilfreich.

Zur Person
„Auch in der DDR war die Medizin ökonomischen Zwängen unterworfen“, sagt Detlef Schumacher. „Heute sind wir deutlich besser ausgestattet als damals und haben mehr Möglichkeiten zu helfen. In keinem Fall jedoch darf medizinische Qualität zugunsten der Ökonomie vernachlässigt werden.“
Berufliches: 1981 - 1987 Studium Humanmedizin Uni Rostock; seit 1987 am Bezirkskrankenhaus Schwerin, heute HELIOS-Kliniken; 1987 - 1992 Facharzt für Innere Medizin; 1998 Zusatzqualifikation für Internistische Intensivmedizin; 2002 Oberarzt für Innere Medizin;  2009 Chefarzt der Klinik für Internistische und Neurologische Intensivmedizin; seit 2009 Vorsitzender der Fachkommission „Internistische Intensivmedizin“ an der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern 
Privates: geboren 1961 in Schwaan; 1961 - 1979 in Schwerin - Schule, Abitur; 1983 geheiratet, zwei erwachsene Söhne, eine Enkelin; Hobbys: Radfahren, Angeln, Golf, Wandern

Bildunterschrift:
Intensivmediziner Dr. Detlef Schumacher: „Eine Entflechtung der Klassenmedizin wäre mir wichtig. Diese Entflechtung kann damit beginnen, die Anzahl der Krankenkassen zu reduzieren.“ Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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