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Freitag, 5. Mai 2017

Lektionen der Unmenschlichkeit

Medizinethik im Nationalsozialismus
Redaktion: Charité – Universitätsmedizin Berlin
PRESSEMITTEILUNG
Berlin/gc. Haben sich Ärzte im Nationalsozialismus mit medizinischer Ethik beschäftigt? Ist die ärztliche Ethik unabhängig vom politischen System? Diese Fragestellungen haben Dr. Florian Bruns von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Dr. Tessa Chelouche von der israelischen Universität Haifa untersucht. Ihre aktuelle Studie Lectures on Inhumanity: Teaching Medical Ethics in German Medical Schools Under Nazism ist jetzt in der Fachzeitschrift Annals of Internal Medicine* erschienen.


Aus heutiger Perspektive erscheint es kaum vorstellbar, dass sich Ärzte im Nationalsozialismus mit medizinethischen Fragen beschäftigt haben. Doch genau dies konnten die beiden Forscher bestätigen und anhand von Archivmaterial belegen: Im Jahr 1939 wurden an allen medizinischen Fakultäten im Deutschen Reich Pflichtvorlesungen über ärztliche Ethik eingeführt – so auch an der Medizinischen Fakultät der Berliner Universität.

Ziel der Vorlesungen war es, den angehenden Ärzten die moralischen Grundsätze nationalsozialistischer Medizin nahezubringen. Dazu gehörte die Annahme, dass Menschen einen ungleichen „Wert“ besäßen und die Gesundheit des sogenannten „Volkskörpers“ stets wichtiger sei als die des einzelnen Patienten. Auch die Anerkennung der autoritären Rolle des Arztes, die Exklusion fremder „Rassen“ sowie die persönliche Pflicht zur Gesunderhaltung zählten zu den moralischen Imperativen, die in den Vorlesungen vermittelt wurden. Als Dozenten wurden Ärzte ausgewählt, die früh der NSDAP beigetreten waren und daher als ideologisch zuverlässig galten.

„Unsere Forschungen zeigen, dass auch die ärztliche Ethik letztlich nur den gesellschaftlichen Zeitgeist widerspiegelt und ihre humane Ausrichtung nicht selbstverständlich ist, sondern stets neu verhandelt und verteidigt werden muss“, sagt Dr. Florian Bruns vom Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin der Charité.

Das Projekt „GeDenkOrt.Charité – Wissenschaft in Verantwortung“ stellt sich dieser Herausforderung: Ziel ist es, Studierende und Ärzte darin zu bestärken, sich den ethischen Gefährdungen der Human‐, Technik‐, und Biowissenschaften stets bewusst zu sein und dabei zuallererst einem verantwortungsbewussten Handeln in medizinischer Praxis, Forschung und Lehre verpflichtet zu sein. Zudem gibt es seit 2015 an der Charité die bundesweit erste Professur für Medical Humanities.

*Bruns F, Chelouche T. Lectures on Inhumanity: Teaching Medical Ethics in German Medical Schools Under Nazism. Ann Intern Med. 2017 Apr 18;166(8):591-595. doi: 10.7326/M16-2758.

Kontakt:
Dr. Florian Bruns
Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Tel.: +49 30 450 529 045
Florian.Bruns@charite.de


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