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Donnerstag, 30. November 2017

Abschiebungen nach Syrien?

Pläne als unverantwortlich kritisiert
Redaktion: PRO ASYL
PRESSEMITTEILUNG
Frankfurt am Main/gc. Nach Medienberichten fordern die unionsgeführten Bundesländer zur Innenministerkonferenz kommende Woche in Leipzig eine Neubewertung der Lage in Syrien und eine Wiederaufnahme von Abschiebungen.


PRO ASYL kritisiert diese Pläne als unverantwortlich. PRO ASYL hält syrische Flüchtlinge unverändert für schutzbedürftig. Eine Gefahr und Verfolgung durch das Regime bei Rückkehr ist nicht auszuschließen, gerade wenn das Regime den Krieg militärisch gewinnen sollte.

Das Assad-Regime ist seit Jahren bekannt für gravierende Menschenrechtsverletzungen, Folter, systematische Inhaftierung und brutalstes Vorgehen gegen Oppositionelle. Es ist abwegig zu glauben, dass nach einem etwaigen Kriegsende in eine Region, in der nahezu alle Regionalmächte und Regime auch weiterhin in Konflikte involviert sind, gefahrenfrei eine Rückkehr möglich wäre. PRO ASYL fordert nachhaltigen Schutz für syrische Flüchtlinge.

PRO ASYL wirft den unionsgeführten Bundesländern vor, aus innenpolitischen Erwägungen in unverantwortlicher Weise über Abschiebungen nachzudenken und die aktuelle Lageeinschätzung des UNHCR aus November 2017 komplett zu ignorieren. Der UNHCR fordert ein Moratorium für Abschiebungen von syrischen Flüchtlingen: „As all parts of Syria are reported to have been affected, directly or indirectly, by one or multiple conflicts, UNHCR calls on states not to forcibly return Syrian nationals and former habitual residents of Syria, including Palestinians previously residing in Syria. UNHCR also considers that it would generally not be appropriate to return nationals or former habitual residents of Syria to neighbouring countries and non-neighbouring countries in the region, unless specific arrangements are in place that guarantee that the individual concerned will be readmitted to the country and can re-avail him/herself of international protection. (...) Depending on the country, the individual concerned may not be readmitted, or such return may not be safe for the individuals concerned, and it may be impossible for their (specific) needs to be met.“

Laut internationalen Presseberichten sind bis zu 3,5 Millionen Zivilisten von militärischen Angriffen und der systematischen Blockadepolitik des Regimes betroffen (The Guardian, „Syria: Shocking images of starving baby reveal impact of food crisis“, 23.10.2017). Knapp 2 Millionen Menschen wurden in Syrien 2017 erneut vertrieben. Ca. die Hälfte der syrischen Bevölkerung ist auf der Flucht. Die UN-Organisation OCHA stellt in ihrem aktuellen Bericht vom 21.11.2017 fest, dass die Notlage der Zivilbevölkerung weiterhin aufgrund des Konflikts erdrückend ist – über 13 Millionen SyrerInnen sind weiterhin auf humanitäre Hilfe angewiesen (abrufbar unter http://www.unocha.org/story/syria-2018-humanitarian-needs-overview-millions-people-face-daily-struggle-survive).

Sowohl Syrer, die als GFK-Flüchtlinge anerkannt sind als auch diejenigen, die subsidiären Schutz erhalten, können nicht in Kürze zurück. Selbst nach einem Sieg des Assad-Regimes wären dauerhafter Friede in Syrien und eine sichere Rückkehr weder für GFK-Flüchtlinge noch für subsidiär Geschützte noch lange nicht in Sicht. Der UNHCR führte bereits im Frühjahr 2017 in seinen Herkunftslandinformationen zu Syrien aus (abrufbar unter https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1493896269_opendocpdf.pdf, S. 5 f.): „Es wird berichtet, dass für Rückkehrer außerdem das Risiko besteht, inhaftiert zu werden, weil Familienmitglieder von den Behörden gesucht werden, weil sie ihren Militärdienst nicht geleistet haben, weil sie auch einem Gebiet stammen, das sich unter der Kontrolle der Opposition befindet, oder weil sie aufgrund ihrer konservativen Kleidung als religiös wahrgenommen werden. Andere werden, wie berichtet wird, ohne bestimmten Grund entsprechend der weit verbreiteten Willkür und das Machtmissbrauchs durch Sicherheitsbeamte inhaftiert und misshandelt.“

Die kürzlich im syrischen Staatsfernsehen ausgesprochenen Drohungen des Top-Generals des Assad-Regimes Issad Zahreddine richteten sich gegen alle syrischen Geflüchteten: »Kehrt nicht zurück! Wir werden euch niemals verzeihen!« (Spiegel Online, „Syrienkrieg Assads Top-General droht Flüchtlingen“, 11.09.2017). Die Drohungen sind ernst zu nehmen. Bereits in der Vergangenheit ist das Assad-Regime gegen aus Deutschland Abgeschobene vorgegangen, sie wurden in Incommunicadohaft genommen - zu Anfang meist ohne jeden Kontakt zur Außenwelt (https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2011/05/Vetrag_mit_Folteren.pdf). Incommunicadohaft bedeutet: Das Risiko, misshandelt oder gefoltert zu werden, nimmt zu. Es gibt keinerlei belastbaren Indizien, dass das Assad-Regime sich heute geändert hätte – im Gegenteil.

PRO ASYL stimmt in der Analyse den Redebeiträgen von Abgeordneten von CDU/CSU zu, die sich am 22. November 2017 im Bundestag scharf gegen die Forderung der AfD, Rückführungen nach Syrien durchzuführen, abgegrenzt haben: »An den Händen von Baschar al-Assad klebt das Blut Hunderttausender von Menschen", formulierte Stephan Mayer (CSU) gegen die AfD-Position. Und weiter: „Wenn man in Ihrem Antrag liest, dass Sie davon ausgehen, ein Vertragspartner auf syrischer Seite könne glaubhaft versichern, dass die rückgeführten Personen in sichere Gebiete gebracht, mit dem Nötigsten versorgt, nicht gefoltert und nicht verfolgt werden, dann kann man nur sagen: Das ist Sarkasmus pur.“ (Seite 188 aus Plenarprotokoll vom 22. November 2017 unter Fundstelle Plenarprotokoll https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw47-de-rueckfuehrung-syrer/531836)

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