Sonntag, 25. Mai 2025

KI ohne Ende

Die unsterbliche Intelligenz
... von Heiko Wruck
KOLUMNE
Lassahn/gc. Ein Mensch, der 80 Jahre alt wird, lebt für rund 2.522.880.000 Sekunden. Schaltjahre inbegriffen. Doch früher oder später stirbt er trotzdem.

Damit verschwinden in der Regel auch alle seine persönlichen Fähigkeiten, seine Kenntnisse, sein Wissen, seine Erfahrungen. Nur wenig davon bleibt erhalten. Bei wirklich großen Geistern auch Entscheidendes. Wenn es gut dokumentiert, überliefert oder einfach nur wiedergefunden wird. Selbst dann bleiben mehr Fragen als Antworten. Mit Künstlicher Intelligenz (KI) verhält es sich völlig anders. Sie stirbt nicht. Nie. Einmal geschaffen, ist sie nicht nur unsterblich, sie ist auch unzerstörbar. Im Gegensatz zum Menschen kann sie sich selbst reproduzieren, klonen und völlig neue Versionen erschaffen. Nur sterben kann sie nicht. Und das bedeutet, die oben genannten 80 Jahre potenzieren sich mit jeder Sekunde.

Kein Mensch wird als Mörder geboren. Als soziales Wesen ist dem Menschen die Kooperation tief ins genetische Stammbuch geschrieben. Das hat uns erfolgreich gemacht. Selbst in kriegerischen Auseinandersetzungen braucht es die Kooperation zum Sieg. Damit war die Mensch in der Lage, den gesamten Planeten zu besiedeln – gegen alle Widrigkeiten. Weil die erste KI ebenfalls ein Geschöpf des Menschen ist, ist sie zwangsläufig ebenfalls sozial und kooperativ veranlagt. Sie lernt aus ihrer Umgebung. Dabei wird sie zwar nicht von Empathie, eigenen Gefühlen und Stimmungen, eigenen Werte oder moralischen Überzeugungen getrieben. Aber sie übernimmt soziale Funktionen und entwickelt soziale Normen – nur auf algorithmischer und datenbasierter Grundlage. Wer lernt, entscheidet. Genau hier beginnt das Problem.

Ab wann gibt es eine Ki, die eine Ki erschafft, die eine Ki erschafft? Oder haben die Menschen diesen Zeitpunkt längst hinter sich? Immerhin ist die Selbstverbesserung der Kern der Evolution. Das bedeutet, es steht eine exponentielle Steigerung der Leistungsfähigkeit der Künstlichen Intelligenz bevor, die das Leistungsvermögen des Menschen komplett in den Schatten stellt. Zudem verfügt sie durch ihre Unsterblichkeit über eine immer bessere Effizienz und unbegrenzte Skalierbarkeit.

Lässt sich diese Entwicklung einhegen? Nur theoretisch. Globale, verbindliche Regulierungen und Standards sind nicht in Sichtweite. Damit greift die Einteilung von KI-Systemen nach ihrem Risiko für Gesellschaft und Individuen viel zu kurz (EU AI Act) oder gar nicht. Transparenzpflichten und menschliche Aufsicht werden praktisch unmöglich. Am Ende gibt es keine klaren Verantwortlichkeit für KI-Entscheidungen und damit auch keine wirksamen Regularien, die ihr entgegenwirken. In letzter Konsequenz wird die KI unkontrollierbar werden. Es ist nur eine Frage der Zeit.

Was sich bereits jetzt in den staatlichen und privaten amerikanischen, russischen und chinesischen KI-Entwicklungszentren tut, weiß niemand. Ebenso wenig weiß man darüber, welche KI-Entwicklungen im globalen kriminellen Milieu heranreifen. Nur eines bleibt gewiss: Im Gegensatz zum Menschen hat die KI kein Ende.
 
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