Europas amerikanische Zukunft wackelt
... von Heiko Wruck
KOLUMNE
Lassahn/gc. Im Kalten Krieg gab es die Gewissheit: Wer zuerst schießt, stirbt als Zweiter. Nato und Warschauer Vertrag garantierten dieses Gleichgewicht des Schreckens. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die Nato obsolet. Oder glaubt jemand tatsächlich, dass die USA gegen Russland in einen III. Weltkrieg eintreten, nur weil ein paar russische Raketen in München, Köln, Berlin oder Hamburg einschlagen?
Damit sind die Kriege für Großmächten wieder führbar geworden. Und wie immer geht es um imperialistische Landnahme, strategische Sicherheit, Ressourcensicherung, Absatzmärkte und nicht zuletzt um Geld. Die Ukraine ist das aktuelle Testfeld solcher Kriege. Gewinnt Putin seinen Ukrainekrieg, dann bremst ihn auch niemand in Estland, Lettland oder Litauen. Auch Polen und Rumänien werden kaum Anlässe sein, die USA als Schutzmacht zu aktivieren. Und was ist die Nato ohne die USA?
Das 20. Jahrhundert war ein amerikanisches. Doch der Muskelprotz von einst ist zum adipösen Ungetüm mutiert: handlungsunfähig, denkfaul, egozentrisch. Die Europäische Union krümmt sich unter dem Druck, den sie von Freund und Feind gleichermaßen erfährt. Technologisch und militärisch abhängig vom transatlantischen König steht sie im Osten einem angeschlagenen Despoten gegenüber. Dessen Machthunger hat kaum etwas entgegenzusetzen. Im Schatten Russland erweitert China seinen Einfluss und schafft neue Abhängigkeiten. Eine starke EU will weder der fette König des Westens noch der instabile Tyrann im Osten oder der neue Kaiser im Reich der Mitte. Zudem brechen von innen prorussische und nationalgesinnte EU-Feinde Stück für Stück die wacklige Konstruktion auseinander.
Gelingt es der Europäischen Union nicht, sich stark und unabhängig aufzustellen, wird sie an ihren inneren Konflikten zerbrechen. Wer heute glaubt, die Ukraine ginge ihn nichts an, hat den letzten Schuss noch nicht gehört.
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