Suchen

Donnerstag, 13. Februar 2014

Und Ihre Entscheidung?

Transplantationsdiskussion versachlichen
von Heiko Wruck
BERICHT
Lassahn/gc. Seit die Transplantationsskandale das Vertrauen in die Transplantationsmedizin erschütterten, haben es organsuchende Ärzte deutlich schwerer, ihren Patienten das Leben zu retten oder die alte Lebensqualität wiederzugeben.

Ein Argument der Spendeverweigerer lautet, solange der Rahmen des Vergabeverfahrens von Organen Missbrauch nicht drastisch erschwert und Missbräuche nicht drastisch strafbewehrt werden, wolle man einer Zwei-Klassenmedizin, in der das Geld über die Organvergabe entscheidet, keinen Vorschub leisten. Immerhin, so der Vorwurf, sei kein Gerichtsurteil bekannt, das in einem Organspendemissbrauchsfall verurteilten Mediziner nennt, der daruch seinen Job verloren hat. Sie alle arbeiten als Mediziner weiter und bekommen immer noch viel Geld. Vertrauen in die verantwortlichen Ärzte und in die Justiz sieht anders aus. Ob man sich nun dieser Argumentation anschließt oder nicht, eines wird man nicht wegdiskutieren können. Geht es um die Gesundheit naher Verwandter, leiblicher Kinder oder auch nur um die eigene, würde kaum jemand ein Organ ablehnen. Wenn dann niemand da ist, wird’s eng.

HIV-Infizierte und aktut an Krebs Erkrankte sind die beiden einzigen Ausnahmen, die grundsätzlich als Organspender nicht in Frage kommen. Alle anderen Fälle werden individuell entschieden. Ansonsten gilt für Organspender weder ein Mindest- noch ein Höchstalter. Jede Altersgruppe ist geeignet, weil es auch in jeder Altersgruppe Patienten gibt, die ein Organ brauchen. Mit einem eigenen Organspendeausweis kann man ab dem 16. Lebensjahr seine Entscheidung dokumentieren, die im Übrigen zu jedem Zeitpunkt widerrufen werden kann.

Zwar geben drei Viertel der Deutschen an, bei Bedarf selbst ein Spenderorgan annehmen zu wollen. Dennoch erhalten die Deutschen aus anderen europäischen Ländern mehr Organe als sie selbst abgeben, teilt die Techniker Krankenkasse (TK) Mecklenburg-Vorpommern mit.

Dabei eignet sich von den pro Jahr zirka 400.000 in deutschen Krankenhäusern Verstorbenen gerade einmal rund ein Prozent für eine Organspende. Die ist nur dann möglich, wenn der Hirntod bereits vor dem Herzstillstand eingetreten war.

Laut einer Forsa-Umfrage, die im Auftrag der TK durchgeführt wurde, tragen bundesweit nur 18 Prozent (MV = 14) einen Organspendeausweis bei sich. Die exakte Anzahl der Spendenwilligen zu beziffern, ist nicht möglich, weil Organspender in Deutschland nicht zentral erfasst werden. Es genügt, den Organspendeausweis stets dabei zu haben.

Der erste deutsche Organspendeausweis  wurde in Hamburg am 3. November 1971 ausgegeben. „Im Uniklinikum Hamburg-Eppendorf wurden seit März 1970 neun Menschen fremde Nieren eingepflanzt; nur eine stammte von einem Spender aus der Nähe Hamburgs, alle anderen mussten aus Skandinavien eingeflogen werden“, berichtete der Westdeutsche Rundfunk. Hamburg reagierte damals als erstes Bundesland auf die dramatische Situation. Mittlerweile gibt es den Organspendeausweis auch als Plastikkarte in Größe einer Krankenversicherungskarte oder als App für das Smart-Phone. Heute ist jedes Krankenhaus, das eine Intensivstation hat, in der Lage, Organspenden durchzuführen.

Es gilt, den Ärzten so früh wie möglich die Bereitschaft zur Organspende mitzuteilen. Nach Angaben der Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) werden heute in Deutschland 11 Transplantationen pro Tag vorgenommen.



Mit Stand vom 1. Januar 2014 warteten bundesweit 10.789 Menschen auf ein lebensrettendes Organ. 156 von ihnen waren noch unter 18 Jahre alt. In Mecklenburg-Vorpommern hofften zum selben Zeitpunkt 300 Patienten auf ein neues Organ. Einer von ihnen war unter 18 Jahre jung. 2013 wurden bundesweit 1.556 Nieren (MV = 28) , 884 Lebern (MV = 4), 702 Lungen, 313 Herzen und 129 Bauchspeicheldrüsen (MV = 6), transplantiert.  Und es gab 725 Lebendspender, die jeweils eine Niere für einen Angehörigen gespendet haben (7 aus MV) – Angaben: Eurotransplant, Stand 1. Januar 2014.

Doch es geht nicht nur um Organe. Auch spendefähiges Gewebe wird gesucht: beispielsweise Augenhornhaut, Blutgefäße, Haut, Herzklappen, Sehnen, Bänder und Bindegewebe, Knochen, Amnion (Eihaut der Fruchtblase).

Wer einen Organspendeausweis mitführt, erspart unter Umständen seinen Angehörigen eine schwere Entscheidung. Sie werden nur über die postmortale Organspende informiert. Unter dem Eindruck der Organspendenskandale der letzten Jahre hat sich die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung dramatisch reduziert. Die Fallzahlen deutscher und ausländischer Organe belegen dies. 

Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund das in 2012 in Kraft getretene Transplantationsgesetz in 2013 mehrfach modifiziert und zusätzliche Kontrollebenen eingeführt. So bleibt eine Frage: Wie würden Sie sich entscheiden, wenn Sie, Ihr Partner, Ihr Kind, ein anderer Angehöriger oder ein enger Freund eine Organspende bräuchte? Auf Ihrem Organspendeausweis dokumentieren Sie Ihre Entscheidung für den Fall, dass Sie sich selbst nicht mehr mitteilen können. Der Autor dieses Artikels ist Organspender.

Bildunterschrift 1:
Jasmin Winkler (Rerik) hat erst von ihrer Mutter Steffi eine Niere erhalten, die jedoch abgestoßen wurde. Deswegen bekam Jasmin von ihrer Tante Peggy nochmals eine Niere. Foto: Techniker Krankenkasse MV

Bildunterschrift 2:
Ein kleines Stück Papier, das Leben rettet oder Lebensqualität zurückgeben kann. Schließlich geht es nicht allein nur um lebenswichtige Organe. Es geht auch um Augenhornhaut, Blutgefäße, Haut, Sehnen, Bänder, Bindegewebe und Knochen. Foto: Wikipedia


Kontakt:
heiko@wruck.org
___________________________________________