Wandel der Inklusion und Exklusion
Redaktion: Universität Trier
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PRESSEMITTEILUNG
Trier/gc. Kurz vor dem Inkrafttreten der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bulgarien und Rumänien am 1. Januar 2014 und den damit verbundenen Debatten um Armutsmigration und Überfremdung wird wieder deutlich, wie aktuell dieses Thema ist.
In theoretischer Hinsicht hat sich der Sonderforschungsbereich mit Niklas Luhmanns systemtheoretischer Herangehensweise an Inklusion/Exklusion sowie mit ungleichheitstheoretischen Ansätzen kritisch auseinandergesetzt. Im Ergebnis wird eine Revision des Konzeptes vorgeschlagen, die den Blick für die Reichweite von Inklusion/Exklusion als einem kulturgenerierenden und -strukturierenden Prozess schärft.
Nach zwölfjähriger Forschungsarbeit publiziert der Forschungsverbund das Ergebnis interdisziplinärer Zusammenarbeit zu Einschluss und Ausschluss von Armen und Fremden im Band „Inklusion/Exklusion und Kultur. Theoretische Perspektiven und Fallstudien von der Antike bis zur Gegenwart“.
Der Band beschreibt und erklärt zentrale Mechanismen des Ein- und Ausschlusses, demonstriert anhand zahlreicher Fallbeispiele von den Fremden im antiken Athen bis hin zur aktuellen Armutspolitik in Deutschland ihre Wirkung und ihren Wandel und untersucht die Auseinandersetzung der Künste mit diesem Thema und seinen Erscheinungsformen. So entsteht insgesamt ein theoretisch-methodisches Angebot für die Sozial- und Kulturwissenschaften: Inklusion/Exklusion ist ein theoretisch anspruchsvolles und zugleich gesellschaftskritisches Begriffspaar, das Kultur als Form gesellschaftlicher Organisation verständlich macht. Es ist angesiedelt an der Schnittstelle von Psyche und Sozialem, von Wissen und Darstellung, von sich verändernden sozialen Strukturen und tradierten Praktiken und damit konstitutiv für jede Kultur.
Die zugrunde liegende Frage nach Ausschluss und Zugehörigkeit von Einzelnen und Gruppen ist in den letzten Jahren auf die Agenda der Politik sowie der Gesellschafts- und Kulturwissenschaften zurückgekehrt. Finanz- und Wirtschaftskrisen, neoliberale Deregulierung und ökonomische Globalisierung haben eine Debatte über den zunehmenden Ausschluss von ‚Schwachen‘, zuvörderst der Fremden und Armen, im nationalen wie internationalen Rahmen angestoßen.
Das Spektrum der beteiligten Fächer umfasst Geschichts-, Politik- und Literaturwissenschaften sowie die Ethnologie. Der Band macht deutlich, wie Inklusion und Exklusion von der antiken Wohltätigkeit bis zur heutigen Armuts- und Migrationspolitik mit gesellschaftlichen Ordnungsmustern sowie mit tradierten kollektiven Imaginationen und Zuschreibungen zusammenhängen, wie sich staatlicher und religiöser Umgang mit Armen und Fremden veränderte und welche Inklusionsstrategien aus Sicht der Betroffenen infrage kamen.
Künstlerische Darstellungen stehen oftmals in einem Spannungsverhältnis zum Inklusions-/Exklusionsregime: teils bringen sie es mit hervor, teils hinterfragen sie es oder präfigurieren Veränderungen.
Warum waren in bestimmten Zeiten bestimmte Gruppen und Individuen in besonderem Maße von Exklusion bedroht? Gab es erfolgreiche Inklusionsstrategien? Ermöglichte etwa die Konversion vom Judentum zum Christentum tatsächlich neue Zugehörigkeiten? Wie ist der Wandel, aber auch die Beharrlichkeit der Modi von Inklusion und Exklusion zu erklären?
Zum untersuchten Material zählen Selbstdarstellungen von Fremdenvereinen in antiken Städten des 6. und 5. Jahrhunderts vor Christus, Konversionszeugnisse von Juden im Mittelalter, Dokumente kirchlicher Armenfürsorge in Mittelalter und Früher Neuzeit, Akten aus Fürsorgeanstalten für Waisenkinder und ‚Geisteskranke‘ in Deutschland und Großbritannien, Zeugnisse bundesrepublikanischer Raumordnungspolitik zur Bekämpfung ländlicher Armut, aktuelle Parteiprogramme sowie Interviews mit russlanddeutschen Transmigranten. Hinzu kommen literarische Texte, in denen es mit Juden sowie als ‚Zigeuner‘ stigmatisierten Sinti und Roma um zwei Gruppen ‚interner Fremder‘ geht, die über Jahrhunderte von Exklusion bedroht waren; die Muster ihres Ein- und Ausschlusses wandeln sich mit den Mustern gesellschaftlicher Selbstbeschreibung.
Der nun im Böhlau Verlag erschienene Band „Inklusion/Exklusion und Kultur. Theoretische Perspektiven und Fallbeispiele von der Antike bis zur Gegenwart“ (485 Seiten) präsentiert in 21 Beiträgen zentrale Abschluss-Ergebnisse und bietet mit Inklusion/Exklusion ein kulturwissenschaftliches Begriffspaar mit hohem Aktualitätspotential für die Kultur- und Sozialwissenschaften an.
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