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Mittwoch, 16. April 2014

„Trutzgau“ Thüringen

Netzwerke der Rasseforschung
Redaktion: Friedrich-Schiller-Universität Jena
PRESSEMITTEILUNG
Jena/gc. Vor 80 Jahren wurde Karl Astel als Professor für menschliche Züchtungslehre und Vererbungsforschung an die Universität Jena berufen. Der Mediziner war bereits seit 1933 Präsident des Thüringer Landesamtes für Rassewesen in Weimar und etablierte seine rassebiologischen Vorstellungen nun im universitären Milieu. Später sogar Rektor, versuchte Astel in enger Anlehnung an den Chef der SS, Heinrich Himmler, die Friedrich-Schiller-Universität in eine elitäre „SS-Universität“ zu verwandeln. Auf welche Netzwerke konnte Astel dabei setzen, wer finanzierte seine Umtriebe an der Universität Jena?

„Astels Wirken in Jena wurde teilweise sogar aus der Privatschatulle Himmlers finanziert“, sagt Prof. Dr. Uwe Hoßfeld von der Universität Jena. Der Biologiedidaktiker und Wissenschaftshistoriker hat die rassenkundlichen und rassehygienischen Netzwerke erforscht und dabei die besonderen Verhältnisse im sogenannten Trutzgau Thüringen unter die Lupe genommen. In komprimierter Form veröffentlicht er seine Erkenntnisse nun in dem Band „Institute, Geld, Intrigen. Rassenwahn in Thüringen, 1930 bis 1945“, den die Landeszentrale für politische Bildung in Thüringen gerade herausgebracht hat. Für Uwe Hoßfeld schließt sich mit der aktuellen Publikation der Kreis bezüglich der Erforschung der NS-Vergangenheit an der Jenaer Universität. Ein Anliegen, dem sich auch die Landeszentrale als Herausgeber verbunden fühlt.

Für den Aufstieg der NS-Rasseideologen hätten in Thüringen besonders gute Voraussetzungen bestanden, sagt Prof. Hoßfeld. So gab es hier seit 1930 erstmals in Deutschland zwei NSDAP-Mitglieder in der Landesregierung. Jena rückte zudem in den Fokus, weil der Zoologe und Evolutionsforscher Ernst Haeckel (1834-1919) hier gelebt und gewirkt hatte. Haeckel wurde zum „deutschen Darwin“ stilisiert, die Umdeutung seiner Ideen und Vorstellungen fügte sich scheinbar nahtlos in das rassebiologische Konzept der Nazis ein. Hinzu kam die geographische Nähe zu Weimar, dem letzten Lebensort Friedrich Nietzsches. „Die NS-Rasseforscher suchten sich wohl bewusst Thüringen als Experimentierfeld aus“, konstatiert Uwe Hoßfeld. Zu den wichtigsten Akteuren gehörten neben Astel der „Rasse-Günther“ (Hans Friedrich Karl Günther), Victor Franz, Gerhard Heberer, Ludwig Plate, Heinz Brücher, Lothar Stengel von Rutkowski, Hans Böker sowie Erna Weber. In biographischen Skizzen werden diese Personen im Buch vorgestellt. Hoßfeld beschränkt sich dabei nicht nur auf die Laufbahn bis 1945, sondern zeigt auch den weiteren Lebens- und Berufsweg der Protagonisten.

Als einen interessanten Aspekt beleuchtet Hoßfeld zudem die regionalen und nationalen Netzwerke der Kooperation, durch die u. a. die finanzielle Ausstattung der Rasseforschung teilweise sichergestellt wurde. Zu den wichtigsten lokalen Akteuren gehörte die Carl-Zeiss-Stiftung, die z. B. Karl Astels „Institut für menschliche Züchtungslehre und Vererbungsforschung“ jährlich mit 5.000 Reichsmark unterstützte. Das von Astel ins Leben gerufene „Institut zur Erforschung der Tabakgefahren“ wurde sogar von Adolf Hitler persönlich mit 100.000 Reichsmark bedacht.

Insgesamt bietet der Band einen konzentrierten Überblick über ein Kapitel der Jenaer Universitätsgeschichte, das inzwischen in den meisten Facetten erforscht worden ist.

Bibliographische Angaben:
Uwe Hoßfeld: „Institute, Geld, Intrigen. Rassenwahn in Thüringen, 1930 bis 1945“, erschienen bei der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Regierungsstraße 73, 99084 Erfurt, Erfurt 2014, 180 Seiten, ISBN 978-3-943588-36-1, zu beziehen über www.lzt.thueringen.de. Das Buch kann in der Landeszentrale kostenlos abgeholt werden: Regierungsstraße 73, 99084 Erfurt. Bei Versand wird eine Pauschale von 3 Euro erhoben, außerhalb Thüringens 5 Euro.

Bildunterschrift:
Das Cover der neuen Publikation. Foto: FSU

Kontakt:
Prof. Dr. Uwe Hoßfeld
Arbeitsgruppe Biologiedidaktik der
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Am Steiger 3 (Bienenhaus)
07743 Jena
Tel.: 03641-949491
uwe.hossfeld@uni-jena.de

Aussender:
Stephan Laudien
Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Tel.: 03641-931035
s.laudien@uni-jena.de
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