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Freitag, 6. Juni 2014

Zusammenhalt in der Streusandbüchse

Moderne und Geschichte in Blüthen
von Heiko Wruck
BERICHT
Blüthen/gc. Wer am Rande Brandenburgs zu Mecklenburg im Karstädter Ortsteil Blüthen an der richtigen Stelle steht und Glück hat, dessen Handy hat auch eine Netzverbindung. Bis zu vier Empfangsbalken werden angezeigt, aber schon eine halbe Drehung auf der Stelle kann ausreichen, um das Netz wieder zu verlieren. Dann ist auch das mobile Internet weg.

In der Umgebung des Ortes an der Grenze Brandenburgs zu Mecklenburg liegen die mageren sandigen Ackerböden, die schon in der Geschichte die Gegend als „des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation Streusandbüchse“ beschrieben. Der Sand ist geblieben und die Wirtschaftsstrukturen sind wie ehedem nur in geringem Umfang vorhanden. Vielleicht jedoch sind es ausgerechnet diese Aspekte, die von den seit Generationen in der Streusandbüchse lebenden Menschen einen besonderen Zusammenhalt verlangen. Und der wird in Blüthen hochgehalten. Der ganze Ort scheint einem großen Credo verpflichtet: Zukunft ist Herkunft.



Das Areal, aus dem die Blüthener ihre Identität schöpfen, ist etwa ein Hektar groß. Es umfasst das Pfarrhaus mit dem zugehörigen Garten, das bis 1969 als Schule genutzte heutige Dorfmuseum, die Lehrerscheune sowie die um 1525 erbaute Feldsteinkirche. In ihr soll Balthasar von Ranzow bestattet worden sein. Einst Bischof von Lübeck. Außerdem gibt es einen großzügigen Reitplatz sowie eine Festhalle, ein Gebäudekomplex aus LPG-Zeiten. Mit großer Unterstützung der Gemeinde Karstädt und viel persönlichem Engagement haben es die Blüthener geschafft, das Ensemble zum Quell ihrer Identität zu machen.



Der Prignitzer Land­frauenverein, der Kunsthandwerkerverein und der Förderverein Blüthen, die Dachorganisation für alle Blüthener Vereine und Interessengruppen, haben ihren Sitz im Dorfmuseum. Die Anlagen werden bestens in Schuss gehalten und wurden liebevoll saniert. Während Reitplatz und Festhalle regelmäßig für größere Veranstaltungen und Bauernmärkte genutzt werden, erschließt sich dem Besucher des Pfarrhauses und des Dorfmuseums die Blüthener Geschichte – der letzten 100 Jahre. Originale Möbel, Bekleidung, Alltagsgegenstände und Dokumentationen geben nicht nur Auskunft über Vergangenes, sondern schaffen eine Atmosphäre, die es so in anderen Museen selten gibt. Fast scheint es, als wäre die Zeit stehengeblieben. Die Zeit verschlafen wollten die Blüthener nicht. Für 2015 haben sie den Aufbau einer Website auf dem Zettel. Wenn sie dann auch noch eine stabiles Handy-Netzabdeckung haben, wäre alles geritzt.





Sumpfige Gegend
Blüthen/gc/wiki. 1325 wurde der Ort in erstmals als „Bluthen“ erwähnt. Der Name des heutigen Blüthen ist aus dem slawischen „Bolto“ (sumpfige Gegend) abgeleitet und bezieht sich auf den damals nördlich gelegenen Sumpf. Blüthener Gemeindeteile sind Strehlen, Klockow und der Ort Waterloo.

Frühe Geschichte
Strehlen/gc/wiki. Zum ersten Mal erwähnt wurde Strehlen („Strel“, Pfeil ) im Jahre 1344. In der Feldmark um Strehlen gibt es geschichtliche Fundplätze. 1934 wurden eine Herdgrube und ein Granitstein aus der Eisenzeit entdeckt. Die Roheisengewinnung ist von 600 v. Chr. bis ins 6. Jahrhundert nach Chr. belegt.

Rittergut mit Schäferei
Klockow/gc/wiki. Klockow wurde 1395 erstmalig erwähnt. 1565 brannte die Schäferei der Familie von Karstedt mit allen Gebäuden und 700 Schafen ab. 1695 wurde Klockow Wohnsitz derer von Karstedt und  1745 Klockow  zum Rittergut mit Schäferei. Am Gutsparkteich entstand 2005 ein Rastplatz für Radtouristen.

Waterloo auf Wunsch
Waterloo/gc/wiki. Waterloo wurde 1817 als Vorwerk von Gut Stavenow gegründet. Damals befand sich Stavenow im Besitz des Staatsministers Otto Karl Friedrich von Voss. Der Graf hatte 1815 an der Schlacht gegen Napoleon teilnehmen und wünschte, sein Vorwerk nach dem belgischen Original zu benennen.

Die Prignitz
Blüthen/gc/wiki. Die Prignitz ist eine historische Landschaft im Nordwesten Brandenburgs. Sie erstreckt sich über den Landkreis Prignitz und Teile des Landkreises Ostprignitz-Ruppin. Kleine Teile der historischen Region gehören heute auch zu Mecklenburg-Vorpommern (Landkreis Ludwigslust-Parchim) und Sachsen-Anhalt.

Radwandern ganz vorn
Karstädt/gc/wiki. Besondere Bedeutung für die Prignitz hat das Radwandern. Neben dem Elberadweg, beliebtester Fernradweg Deutschlands, und der landesweiten Tour Brandenburg existieren mehrere regionale Routen wie die Gänsetour und die Bischofstour.  2012 wurde ein Knotenpunktnetz mit 50 Punkten aufgebaut.

Prignitz-Express
Karstädt/gc/wiki. Im Projekt Prignitz-Express wurden Teile der Bahnstrecken Wittenberge–Strasburg und Kremmen–Meyenburg in den 1990er und 2000er Jahren ausgebaut. Der Prignitz-Express verbindet nun die vier bevölkerungsreichsten Prignitzstädte Wittenberge, Perlberg, Pritzwalk, Wittstock über Neuruppin mit Berlin.


Bildunterschrift 1:
Doreen Lüdemann (32) ist seit 2013 die Kulturkoordinatorin in Blüthen. Sie verwaltet mehr als nur das Prignitzer Dorfmuseum. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 2:
Andrea Brüning (61) hat von 2002 bis 2013 als Kulturkoordinatorin das Gemeinschaftsleben in Blüthen sowie Verwaltung und Betrieb des Prignitzer Dorfmuseums geleitet. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 3:
Hans Ulrich Wolf:  Das evangelische Pfarrhaus ist als Projekt in Deutschland einmalig. Seit zirka vier Jahren betreut auch die Universität Halle das Blüthener Pfarrhaus mit. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 4:
Mikrowelle oder Ceran-Kochfeld sucht man hier vergebens:?Küche des Pfarrhauses vor 100 Jahren. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 5:
Bis 1969 wurden in Blüthen im alten Schulhaus Kinder von der 1. bis zur 4. Klasse unterrichtet. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 6:
Die Blüthener Feldsteinkirche wurde im 16. Jahrhundert erbaut und zeigt ein bleiverglaste Fenstergemälde des Malers Wilhelm Steinhausen, der der Bruder des Blüthener Pfarres war. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 7:
Auf drei Routen können Ausflügler und Wochenendbesucher die Gegend um die Gemeinde Karstädt/Blüthen mit dem Fahrrad erkunden. Zu entdecken und besuchen gibt es mehr, als es mit dem Drahtesel an nur einem Tag zu schaffen ist. Ganze 16 Sehenswürdigkeiten sind auf den drei Routen verteilt. Das Prignitzer Dorfmuseum im Karstädter Ortsteil Blüthen ist nur eine Sehenswürdigkeit, die in ihrer Größe aber was Besonderes darstellt. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
heiko@wruck.org
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