Suchen

Sonntag, 26. April 2015

Wider die intellektuelle Mangelernährung

Finanzieren Sie unabhängigen Journalismus?
von Heiko Wruck
AUFSATZ
Gehören Sie auch zu jenen, die im Web immer nur nehmen, jedoch nie geben? Mögen Sie Gefälligkeitsjournalismus? Oder wollen Sie nur das sehen, was sich mit Ihrer Meinung deckt? Dann lesen Sie am besten nicht weiter.

Gründe, lieber nichts zu geben, gibt es viele. Besonders wenn es darum geht, Journalisten zu unterstützen. „Das ist doch nur eine Pressemitteilung“, „So was gibt’s anderswo auch umsonst“, „Dem kann man auf gar keinen Fall trauen“, „Alles nur erstunken und erlogen“, „Wen interessiert das schon“ ... und so weiter. Ganz besonders haarig wird es, wenn ein Artikel der Meinung des Users entgegensteht. Dann bricht schnell ein Shitstorm über den Autoren herein – auch ein Zeichen für Solidarität und Engagement. Nur eben gegen Journalisten, die Lügenpresse und bloggende Tagediebe.

Das ist die Realität
Journalisten haben Gesichter, Namen und Meinungen. Das macht sie erkennbar. Es macht sie angreifbar. Und es macht sie akzeptabel – oder auch nicht. In jedem Fall aber brauchen sie die Unterstützung derer, die ihre Inhalte konsumieren, verreißen oder tolerieren.

Es gibt bestimmt auch in Ihrer Region freie Journalisten, kleine Zeitungen oder Blogs. Deren Tagesgeschäft besteht darin, Ereignisse, Ideen und Meinungen, Produktbewertungen, Dossiers, Fakten und vieles mehr in Wort und Bild öffentlich zu machen. Sie stellen Tag für Tag die Plattformen für einen gegenseitigen Austausch zur Verfügung – ohne sich kaufen zu lassen.

Um jedoch Arbeiten zu können und diesem Austausch dauerhaft eine Plattform zu bieten, nehmen freie Journalisten eigenes Geld in die Hand.

Die Folge ist, dass sich freie Journalisten, Blogbetreiber und Herausgeber von Kleinzeitungen über Werbung finanzieren. Das reicht allerdings in aller Regel nicht dafür aus, den Akteuren eine Lebensgrundlage zu bieten. Sie verdingen sich in einem Hauptjob und leisten Journalismus nebenberuflich. Sie finanzieren sich über Ehepartner und Lebensgefährten, sind auf Sponsoren angewiesen. Oder sie fertigen Namens-, Gefälligkeits- und PR-Artikel, um sich über Wasser zu halten.

Es geht aber auch anders!
Viele monatliche Kleinstbeträge in Summe eignen sich für die Unterstützung journalistischer Aktivitäten besser als ein großer Einmal-Betrag. Statt 30 Euro per Monats-Abo für eine Tageszeitung auszugeben, könnten Sie bespielsweise dreißig Journalisten mit jeweils einem Euro pro Monat unterstützen.

Regierungen, Ministerien, Landkreise, Städte, Kommunen, Ämter, Behörden, Vereine, Bürgerinitiativen, Bildungseinrichtungen, Fördergesellschaften, Stiftungen, Parteien und Unternehmen haben in der Regel Pressestellen und Öffentlichkeitsarbeiter oder zumindest einen Presseverantwortlichen. Sie könnten entscheiden, ob und in welchem Umfang sie unabhängigen Journalismus in ihrer Region fördern. Sie tun es einfach nicht. Sie geben nur Geld aus, wenn ihre Inhalte dafür wohlwollend in die Öffentlichkeit getragen werden. Das ist armselig und meiner Meinung nach demokratiegefährend.

Ebenso können Privatpersonen solche Überlegungen anstellen und entsprechende Entscheidungen treffen. Aber sie tun es oft nicht – aus Trägheit, Gleichgültigkeit, Voreingenommenheit oder einer diffusen Abneigung gegen alles, was sie nicht unmittelbar zu ihrem Vorteil nutzen können. Bedingungslosigkeit ist das Zauberwort, das die Finanzierung von unabhängigem Journalismus möglich macht. Alles andere ist gekauft. Beim unabhängigen Journalismus kommt es nicht auf die Größe der Beträge an, sondern auf ihre verlässliche Dauerhaftigkeit.

Wider die intellektuelle Mangelernährung
Vorausgesetzt Sie tun diesen Aufsatz nicht als bloßes Geschreibsel ab, dann sollten Sie nicht die Erwartung mit Ihrer Unterstützung verbinden, dass nur für Sie allein veröffentlicht wird. Meinungs- und Angebotsvielfalt bedeuten, dass Ihnen nicht nach dem Munde geschrieben wird und Sie Ihre intellektuelle Mangelernährung weiter kultivieren können – auch dann nicht, weil Sie unter höchsten Schmerzen jeden Monat Ihren einen Euro überweisen.

Herzlichen Glückwunsch!
Sie haben das Ende dieses Aufsatzes erreicht.
Nun ist es an Ihnen, zu handeln. Teilen Sie bitte diesen Aufsatz. Diskutieren Sie seinen Inhalt. Unterstützen Sie freie Journalisten. Fördern Sie unabhängigen Journalismus.

Kontakt:
heiko.wruck@t-online.de
________________________________________________________________