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Donnerstag, 27. August 2015

Migranten im Fokus

Alt-Zuwanderer brauchen Unterstützung
Redaktion: Hans-Böckler-Stiftung
PRESSEMITTEILUNG
Düsseldorf/gc. Menschen mit Migrationshintergrund sind auf dem deutschen Arbeitsmarkt benachteiligt. Nicht nur Neuzuwanderer, sondern auch Migranten, die schon länger in Deutschland leben, müssen besser gefördert werden. Das zeigt eine Untersuchung aus dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.*


Zuwanderer sollen schneller einen Job finden. Darüber herrscht in der Politik weitgehend Einigkeit. Allerdings geht es in der Diskussion vor allem um Neuankömmlinge. Bereits länger in Deutschland lebende Migranten geraten dagegen häufig aus dem Blick. Dabei haben sie besonders schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt und müssten gezielt gefördert werden, wie eine Analyse von Jutta Höhne und PD Dr. Karin Schulze Buschoff vom WSI zeigt. Die Untersuchung ist in der aktuellen Ausgabe der WSI-Mitteilungen erschienen.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben 16,5 Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Zwei Drittel von ihnen sind im Ausland geboren, die allermeisten leben seit mehr als zehn Jahren in der Bundesrepublik. Ein Drittel der Menschen mit Migrationshintergrund ist hier geboren, zählt also zur sogenannten zweiten Generation. Von einer gleichberechtigten Teilhabe auf dem deutschen Arbeitsmarkt seien sie jedoch weit entfernt, konstatieren die Forscherinnen, die für ihre Studie die neuesten verfügbaren Daten aus dem Mikrozensus ausgewertet haben. Die Erwerbslosenquote von Migranten liege insgesamt bei fast zehn Prozent – etwa doppelt so hoch wie im Rest der Bevölkerung. Und diejenigen, die eine Arbeit finden, müssten häufig mit weniger angesehenen Jobs vorliebnehmen. Selbst unter den qualifizierten Einwanderern mit Berufsabschluss sei der Anteil prekär Beschäftigter vergleichsweise hoch. In einer „besonders ungünstigen Lage“ seien türkischstämmige Mitbürger und Menschen aus sogenannten Drittstaaten, das heißt Ländern außerhalb der EU.

Auffällig ist, dass es unter den Zugewanderten einerseits viele gut ausgebildete Menschen gibt: Zuwanderer aus West- und Nordeuropa sind mit einem Akademikeranteil von 36 Prozent besonders häufig hoch qualifiziert, aber auch Zuwanderer aus der EU-Ost und aus vielen Drittstaaten sind mit einem Akademikeranteil von 19 beziehungsweise 24 Prozent überdurchschnittlich oft gut gebildet. Andererseits ist aber auch der Anteil von Personen ohne Abschluss deutlich höher als bei Einwohnern ohne Migrationshintergrund, was unter anderem damit zusammenhängt, dass das System der dualen Berufsausbildung in den Herkunftsländern nicht sehr verbreitet ist.

Besonders schwierig ist die Lage für Männer ohne Berufsqualifikation, die in Deutschland geboren sind und zumindest ein Elternteil aus der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien haben: Die Wahrscheinlichkeit von Erwerbslosigkeit liegt bei ihnen fast doppelt so hoch wie bei vergleichbaren Männern ohne Migrationshintergrund. Bei Frauen ohne Berufsabschluss stechen die Nachteile für die zweite Generation mit türkischem Hintergrund ebenfalls hervor – auch hier ist das Risiko von Erwerbslosigkeit fast doppelt so hoch.

Wer eine Ausbildung abgeschlossen hat, findet zwar eher einen Job. Im Vergleich zur übrigen Bevölkerung bestehen aber erhebliche Nachteile: Männliche Zuwanderer aus Drittstaaten mit mittlerer Qualifikation sind sogar mit fast dreimal so hoher Wahrscheinlichkeit von Erwerbslosigkeit betroffen wie vergleichbare Männer ohne Migrationshintergrund.

Die Arbeitsmarktchancen von Akademikern sind insgesamt deutlich besser, aber auch unter den Hochqualifizierten sind einige Gruppen – im Vergleich zur übrigen Bevölkerung – bei der Stellensuche benachteiligt: Hochschulabsolventen aus Drittstaaten sind mit drei- bis fünfmal so hoher Wahrscheinlichkeit arbeitslos wie die Referenzgruppe ohne Migrationshintergrund. Unter hochqualifizierten Aussiedlerinnen und Aussiedlern, Männern mit türkischem Migrationshintergrund, Frauen der ersten Generation aus dem ehemaligen Jugoslawien und Zugewanderten beiderlei Geschlechts aus dem Osten der EU liegt die Wahrscheinlichkeit mehr als doppelt so hoch.

Unabhängig vom Bildungsniveau gilt: Fast alle Migrantengruppen stoßen auf größere Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche als in Alter, Bildung und weiteren Eigenschaften vergleichbare Personen ohne Migrationshintergrund. Lediglich Einwanderer aus West- und Nordeuropa sind nicht mehr und nicht weniger von Arbeitslosigkeit betroffen als die übrige Bevölkerung, erreichen gleichwertige oder bessere Positionen und sind auch mit ähnlicher oder geringerer Wahrscheinlichkeit atypisch beschäftigt.

„Deutschland zählt laut OECD mittlerweile zu einem der attraktivsten Migrationsziele“, erklären Höhne und Schulze Buschoff. Dank einer Reihe von neuen oder überarbeiteten Gesetzen seit 2012 sei der Zuzug von Fachkräften erleichtert worden. Es sei jedoch notwendig, „nicht nur Neuzuwanderung zu fördern und zu regeln“, sondern die Aufmerksamkeit sehr stark auch auf eine bessere Unterstützung der bereits seit Langem in Deutschland lebenden Migranten zu richten. Die Wissenschaftlerinnen fordern, dass mehr Geld in die Qualifizierung von Zuwanderern aus Drittstaaten fließt. Außerdem müssten Maßnahmen gegen Diskriminierung schon am Ausbildungsmarkt ergriffen werden.

Kontakt in der Hans-Böckler-Stiftung:
Jutta Höhne
WSI
Tel.: 0211-77 78 582
Jutta-Hoehne@boeckler.de

Aussender:
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