Suchen

Mittwoch, 14. Oktober 2015

Wer helfen kann, sollte sich nicht zieren

Jürgen Baumgarten zum Warum seiner Flüchtlingshilfe
von Heiko Wruck
INTERVIEW
Neuhof/gc. Der Unternehmer Jürgen Baumgarten (69), JB German Oil, hat in Wittenburg 120 Flüchtlingen Unterkunft gewährt. Im Gespräch erklärt er seine Beweggründe.


Warum tun Sie das?
Baumgarten: „Weil den Menschen geholfen werden muss.“

Das ist doch Sache des Bundes und der Länder.
Baumgarten: „Grundsätzlich ja, und das tun sie ja auch, aber wer privat die Möglichkeit hat, sollte sich nicht zieren.“

... zumal man gut verdient.
Baumgarten: „Wer sich in privater Initiative für Flüchtlinge einsetzt, sollte dies nicht über den Rahmen seiner Möglichkeiten hinaus tun. Man muss die Füße auf dem Boden halten. Ich bekomme pro Flüchtling und Tag 9 Euro vom Landkreis Ludwigslust-Parchim. Damit wird man nicht reich, aber man hat wirklich sehr viel Arbeit damit.“

Haben Sie die Wohnungen neu gebaut?
Baumgarten: „Nein. Als durch Mecklenburg-Vorpommern die Gaspipeline gebaut wurde, haben wir dort italienische Bauleute untergebracht. Die Wohnungen waren also schon da. Ich wollte, dass die Flüchtlinge ordentlich untergebracht werden, nicht in der drangvollen Enge von Notunterkünften. Bei uns leben sie in ordentlichen Wohnungen mit großen Bädern, TV und Internetanschluss. Es geht darum, die Flüchtlinge menschenwürdig zu beherbergen. Und das tun wir.“

Woher kommen die Flüchtlinge?
Baumgarten: „Wir haben hier Syrer, Ukrainer, Russen und Afghanen. Aus dem Balkangebiet haben wir keine, denn das sind keine Kriegsflüchtlinge.“

Flüchtling ist Flüchtling, ob nun Krieg oder Armut der Fluchtgrund ist.
Baumgarten: „Wir konzentrieren uns ausschließlich auf Kriegsflüchtlinge. Das sind Kinder, Jugendliche und Familien. Wirtschaftsflüchtlingen muss anders, also vor Ort geholfen werden, als Hilfe zur Selbsthilfe. Kriegsflüchtlinge haben diese Möglichkeiten im eigenen Land nicht.“

Haben Sie Angst, dass Ihnen jemand die Wohnungen anzündet oder die Flüchtlinge sich gegenseitig Gewalt antun?
Baumgarten: „Nein. Ich habe keinem einzigen Deutschen die Wohnung der Flüchtlinge wegen weggenommen. So was halte ich für völlig inakzeptabel. Damit stellt man die Menschen nur gegeneinander auf. Wir dürfen bei aller Dramatik die Belange unserer ehrlichen, anständigen Bevölkerung nicht außer Acht lassen. Und die Flüchtlinge kommen bei mir gut miteinander aus. Religions- und Nationalitätenunterschiede haben bisher keine Rolle gespielt. Allen ist klar, dass sie dem Krieg entfliehen wollten. Und das bedeutet, dass sie den Krieg nicht in ihr Fluchtland, in ihr neues Zuhause tragen. Außerdem sind das kluge Leute. Es sind Handwerker, Arzthelfer, Computerfachleute und so weiter darunter. Leute eben, wie wir auch.“

Sind Sie mit Ihren Kapazitäten jetzt am Limit und wo sehen die das Aufnahmelimit Deutschlands?
Baumgarten: „Meine Möglichkeiten sind zurzeit vollständig ausgeschöpft. Mehr geht erstmal nicht. Was Deutschland angeht, ich glaube, die Kanzlerin wäre besserer beraten gewesen, ein Aufnahmelimit wenigstens ungefähr zu benennen. Das wird sicher noch kommen, denn sonst fürchte ich, dass Deutschland überfordert wird. Viel wichtiger aber ist, die Ursachen der Flüchtlingsbewegungen zu bekämpfen. Europa, Deutschland und die USA, der Westen also, hat sehr viel dafür getan, dass diese Menschen aus ihrer Heimat flüchten müssen – um zu überleben. Wir sehen hier erst den Anfang der Folgen einer völlig verfehlten Politik.“

Was sagen Ihre CDU-Freunde zu Ihrem Engagement?
Baumgarten: „Bei mir hat sich niemand gemeldet, nicht nur von der CDU, von keiner Partei. Das kommt hoffentlich noch.“

Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Behörden aus?
Baumgarten: Bei mir hat sich niemand gemeldet, nicht nur von der CDU, von keiner Partei. Das kommt hoffentlich noch.“

Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Behörden aus?
Baumgarten: „Was in den Verwaltungen in Sachen Flüchtlinge geleistet wird, ist wirklich sehr, sehr großartig. Im Kreis und hier in der Stadtverwaltung Wittenburg wird wahnsinnig daran gearbeitet, alles im Griff zu behalten. Ich habe vor den Mitarbeiter riesigen Respekt.“

Was kann man noch für die Flüchtlinge tun?
Baumgarten: „Wir haben zum Beispiel einen pensionierten Lehrer, der die Flüchtlinge unterrichtet. Eine Verstärkung wäre gut und deutsch-syrische Wörterbücher.“

Bildunterschrift:
Jürgen Baumgarten: „Wer Flüchtlingen helfen kann, der soll es auch tun. Alles andere ist eine faule Ausrede.“ Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
heiko.wruck@t-online.de
____________________________________________________________