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Sonntag, 12. Juni 2016

Gnade ist nie bloße Routine

In Vellahn gibt's auf 13 Hektar ein Land der Tiere
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Vellahn/gc. Frühstücken Gandenhofbetreiber Tierisches?
Wir nicht. Meine Frau und ich sind Veganer. Ich nehme Müsli mit Pflanzenmilch, Amaranth, frisches Obst, Trockenfrüchte und trinke Tee dazu.


Damit „fressen“ die Veganer den Tieren die Weiden leer.
Veganer werden schnell als Spinner abgestempelt. Es geht jedoch um Nachhaltigkeit, Tiernutzung und Tierleid. Urwälder sind lebenswichtig. Sie werden abgeholzt, damit Nutztiere Weideflächen bekommen, damit Ackerflächen gewonnen werden, auf denen Futtermittel und Energie-Pflanzen angebaut werden. Pro Kilo Fleisch braucht ein Schwein das Siebenfache an Pflanzenfutter. Beim Huhn liegt das Verhältnis bei 1 : 2. Eine Kuh liegt bei 1 : 16. Es sind nicht die, die auf tierische Produkte verzichten, die die Weiden leerfressen, sondern jene, die unbedacht Tierisches konsumieren. Die menschliche Ernährung ist nur ein Aspekt der Tiernutzung. Mode, Kleidung, Kosmetika und vieles mehr kommen hinzu. Für all das werden Bodenschätze, Ressourcen, Flächen, Energie und Wasser verschwendet. Das Tierleid wird dafür gebilligt. Dieses Denken ändert sich gerade. Beim Umgang mit den Nutztieren allerdings sehr viel langsamer.

Wie kommen die Tiere her?
Abends fuhr ein Auto vor. Dann fuhr es wieder weg, und plötzlich war Kater Klaus da. Ein Huhn hatte sich in einer Anlage eines Hühnerbetriebes mit dem Flügel verfangen und hing kopfüber herunter. Tierschützer haben das Huhn befreit. Der Flügel musste amputiert werden. Jetzt lebt es bei uns. Einem Kind wurde ein Schwein geschenkt. Das vermeintliche Zwergschwein wuchs sich zum Hausschwein aus. Würde der Vater es schlachten, würde er ein drastisches Problem mit seinem Kind bekommen. Auf einem Berliner Balkon wurden Kaninchen gehalten. Der Halter erkannte, dass seine Tiere ein miserables Leben führten. Schlachten oder nicht. Die Kaninchen leben jetzt bei uns. Schildkröten verlieren als Kindergeschenke schnell ihren Reiz. Davon haben wir 13. Ein alter Mann ist mit seiner Schafherde überfordert. Schlachten ...? Sie sind bei uns. Es gibt viele Wege, wie Tiere zu uns kommen.

Was unterscheidet das Tierheim vom Gnadenhof?
Tierheime beherbergen meistens keine Nutztiere und sind auf die Neuvermittlung der einstigen lebenden Spielzeuge orientiert. Gnadenhöfe haben eher Nutztiere.

Sind Zoos eine Alternative?
Die sehe ich sehr skeptisch. Dort lebt kein Tier artgerecht. Deren Zurschaustellung finanziert den Zoo. Viele Tiere dienen als Futtermittel. Zoos sind Scheinwelten. Einsperren und Angaffen sind aber nicht okay.

Wie finanziert sich Ihr Hof?
Wir haben die Stiftung Tiernothilfe, die den Kapitalgrundstock stellt: www.land-der-tiere.de. Es gibt Spender, Paten, Förderer und Leute, die eigenhändig anpacken. Wir werden vom Finanzamt geprüft und haben die Gemeinnützigkeit zuerkannt bekommen. Unsere regelmäßigen Spender leisten monatlich zwischen 10 und 20 Euro:  Kontoinhaber: Stiftung Tiernothilfe, IBAN: DE54 4605 0001 0001 2467 43, BIC: WELADED1SIE.

Daraus beziehen Sie dann auch Ihr Einkommen?
Nein. Ich arbeite hauptberuflich in Hamburg – drei Tage in der Woche.

Zur Person
Nachhaltigkeit im Umgang mit allen Ressourcen rund um den Globus ist die Herausforderung unserer Zeit, meint Jürgen Foß, der auch deswegen die vegane Ernährung für sich zur Lebensgrundlage machte.

Berufliches:
Hauptschulabschluss, Kfz-Mechanikerlehre und Fachabitur Maschinenbautechnik an der Abendschule, 1990 - 1995 Physik-Studium mit Diplom-Abschluss am CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung in der Schweiz, arbeitet seit 1995 in Hamburg als Physiker im IT-Hochsicherheitsbereich für das Internet und in der Entwicklung von Smartcardtechnologien

Privates:
geboren 1963 in Siegen, Nordrhein-Westfalen, 1996 geheiratet, engagiert sich im Tierschutz, war früher, als er noch Zeit hatte, Triathlet unterwegs, Veganer aus tiefer Überzeugung, dass kein Tier sein Leben für die menschliche Ernährung geben muss, 1994 bis 2004 in einem Tierheim in Siegen, 2004 bis 2014 Öffentlichkeitsarbeit im Tierschutz, seit 2014 tätig auf dem Gnadenhof Vellahn

Bildunterschrift:
Jürgen Foß: Leider entschlafen viele Tiere auch auf dem Gnadenhof nicht ruhig und sanft. Wir müssen entscheiden, sie von einem Tierarzt von ihren Leiden zu erlösen. Das ist nie einfach. Es tut uns weh, ist nie Routine. Aber man wird abgeklärter. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
heiko.wruck@t-online.de
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