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Sonntag, 10. September 2017

Den ersten Kaffee gibt’s im Bett

Linke Hand fehlt, Detlef Hamelau spielt Gitarre und malt
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Warin/gc. Wie und wann frühstückt man als Rentner? Meine Frau und ich werden meistens so gegen 7 Uhr wach. Aber den ersten Kaffee gibt es ganz gemütlich im Bett. Das habe ich von meiner Frau übernommen. Richtiges Frühstück gibt es von etwa 8 bis 8.30 Uhr in der Küche. Nichts Besonderes: Brot, Wurst, Kaffee, Milch.

... und auch gleich mit Noten?
Nein, die kommen später. Zumindest die auf dem Papier. Aber Noten sind ohnehin nicht so meine Sache. Das geht bei mir mehr nach Gehör.

Die linke Hand fehlt, die rechte hat nur dreieinhalb Finger und einen halben Daumen ...
Mit 17 habe ich ein paar Chemikalien zusammengerührt, die hochexplosiv und extrem instabil waren. Kein Feuer, eine ganz leichte Bewegung hat voll ausgereicht, und das ganze Zeug ist mir aus den Händen um die Ohren geflogen. Leichtsinn – eine Einsicht, die zu spät kam ...

Das hat die künstlerischen Aktivitäten nicht behindert.
Beeinträchtigt schon, aber nicht verhindert. Vor dem Unfall hatte ich bereits klassische Gitarre gelernt. Der Bass hat danach die Konzertgitarre ersetzt. Über die Jahre sind das Keyboard und electric percussion dazu gekommen. Ich komponiere und arrangiere. Von 1968 an habe ich fast ununterbrochen in über 30 Bands mitgespielt. Seit 2013 bin ich bei RockSpin in Dabel. Ich habe als Grafiker gearbeitet und habe die Ölmalerei für mich entdeckt. So gesehen hat der Verlust meiner Hand und der Finger zwar nicht mein künstlerisches Schaffen auf Null gesetzt. Aber der Verlust ist schon eine riesige Einschränkung. Man kommt eben nur über Umwege ans Ziel.

Setzt eines der Kinder die musikalische Linie fort?
Die drei Mädchen nicht, aber mein Sohn hat Musik studiert: Klavier und Schlagzeug. Anfangs dachten meine Frau und ich: Wieder so ein armer Künstler, na toll. Doch wir haben ihn trotzdem gefördert. Er ist kein armer Künstler, sondern ein ganz ordentlicher Jazzer geworden und arbeitet jetzt als Musikdozent.

War früher im Westen die DDR-Musik ein Thema?
Eher nicht. Ich habe wie die meisten jungen Leute damals die westlichen Bands gehört. Die waren englischsprachig unterwegs. Mit Deutsch-Rock konnte ich nie etwas anfangen. Und für die Texte habe ich mich schon damals nicht interessiert. Das ist bis heute so geblieben. Ich habe die Musik auch nie als politisches Mittel gesehen. Instrumentalmusik hat mich immer mehr angesprochen. Mich nerven Texte eher. Musik fühle ich im ganzen Körper, nicht nur im Kopf, nicht nur im Denken.

Dann kriegt die Gattin kein Geburtstagsliedchen?
Nein. Manchmal musizieren wir zusammen. Sie spielt Cello. Der Dialog findet über die Musik statt.

Wie kommt man vom Ruhrpott über Bayern mit einer Hochzeit nach Mecklenburg?
Meine Frau wohnte in Thüringen. Deswegen die Hochzeit in Jena. Außerdem habe ich in meiner Kindheit die DDR gut kennengelernt. Meine Großeltern lebten in Sachsen-Anhalt. Dort habe ich immer wunderbare Ferien erlebt. Für Politik war ich zu jung. Nach der Wiedervereinigung öffnete sich ganz Ostdeutschland. Und Mecklenburg hat uns wirklich gut gefallen. Also kamen wir her.

Bildunterschrift:
Detlef Hamelau: Wenn ich mit meinen vier Geschwistern Ferien in der DDR machte, waren die Grenzkontrollen mit den mit Maschinenpistolen bewaffneten Soldaten das einzige Einschüchternde. Foto: Heiko Wruck

Zur Person
„Man sollte immer ein Ziel und eine Inspiration haben“, sagt Detlef Hamelau. „Man sollte nicht alles allein dem Beruf und der Karriere opfern.“

Berufliches: abgebrochenes Studium, gearbeitet in verschiedenen Berufen, zwischenzeitlich mit Fotolabor für Berufsfotografen und Fotoagenturen selbstständig; Grafiker; 1990 Programmierer in Fürth; seit 2010 in Rente

Privates: geboren am 12. Oktober 1952 in Bochum; aufgewachsen in Gelsenkirchen, 1969 Explosionsunfall; 1970 - 1974 in Würzburg gelebt, dort Abschluss Fachabitur; 1982 in Fürth geheiratet, vier Kinder, 2008 verwitwet, 2010 in Jena neu geheiratet, aber noch in Fürth gelebt; 2012 nach Sülten in Mecklenburg gezogen; seit 2014 im eigenen Haus in Warin; Hobbys: Musik hören und komponieren,  Bass spielen in der Band „RockSpin“, Ölmalerei

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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