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Mittwoch, 20. Februar 2019

Wenn Influencer Werbung machen

Bezeichnungen „Ad“ oder „Paid Content“ reichen nicht
Redaktion: Julius-Maximilians-Universität Würzburg
PRESSEMITTEILUNG
Würzburg/gc. In den sozialen Netzwerken wird angeblich Privates munter mit bezahlter Werbung vermischt. Müssen Minderjährige vor den Darstellungen der sogenannten Influencer geschützt werden?


Das Video auf Youtube ist ziemlich lustig: Zwei überdrehte Jungs führen vor, wie unterschiedlich sich Mädchen und Jungen beim Shoppen verhalten. Mehrfach werden in dem Video das Logo eines Sportartikelherstellers und die Namen von Modefirmen ins Bild gerückt.

Anderes Beispiel: Auf Instagram präsentiert sich eine adrett gestylte junge Frau mit einem Laptop unterm Arm. Im Text nennt sie den Markennamen des Rechners und lobt dessen „super Akkuleistung“. Eine andere Dame gibt Schminktipps und empfiehlt spezielle Produkte, denen sie angeblich „total“ vertraut.

Influencer genießen großes Vertrauen
Mode, Kosmetik, Essen: Solche und andere Produkte werden in den sozialen Netzwerken heute oft von Influencern präsentiert – von jungen Leuten, die ihr Privatleben und ihre Vorlieben öffentlich so attraktiv darstellen, dass sich Fangemeinden aus teils mehreren Millionen Followern dafür interessieren.

Die Influencer genießen bei ihren Fans großes Vertrauen, weil sie als authentisch gelten. Das macht sie hoch interessant für die werbende Wirtschaft. Entsprechend werden viele Influencer dafür bezahlt, dass sie in ihren Videos und Foto-Posts Produkte präsentieren. Sie machen Werbung und müssen diese kenntlich machen – diese Vorschrift gilt auch für soziale Netzwerke.

Können Minderjährige die Werbung erkennen?
Allerdings sind viele Fans der Influencer Kinder und Jugendliche. Das wirft rechtliche Fragen auf – schließlich sieht das Gesetz für Minderjährige einen besonderen Schutz vor. Können sie erkennen, wenn vermeintlich mit ihnen „befreundete“ Personen Unterhaltung und bezahlte Werbung vermischen? Müssen sie vor den Geschäftsinteressen der Werbetreibenden in den sozialen Netzwerken besonders geschützt werden?

„Zum Thema Influencer-Werbung hat die Rechtsprechung bislang nur in einigen Fällen Stellung genommen“, sagt Inge Scherer, Professorin für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema der Influencer-Werbung gegenüber minderjährigen Nutzern sozialer Netzwerke habe es bis jetzt weder in der Rechtsprechung noch in der juristischen Fachliteratur gegeben.

Darum hat Scherer diese Thematik nun erstmals ausgelotet. Ihr Aufsatz ist in der März-Ausgabe der Zeitschrift „Wettbewerb in Recht und Praxis“ veröffentlicht.

Videos und Posts müssen korrekt gekennzeichnet sein
Scherers Fazit: Das Influencer-Marketing verstößt hinsichtlich der minderjährigen Follower weder gegen die Gesetze zum unlauteren Wettbewerb noch gegen das Medienrecht – aber nur, wenn die Posts und Videos korrekt gekennzeichnet sind: Bei Texten müssen die Hinweise „Werbung“ oder „Anzeige“ gleich am Anfang stehen, in Videos müssen die Hinweise im Bild mitlaufen. Englischsprachige Bezeichnungen, etwa „Ad“ oder „Paid Content“, reichen nicht aus.

Nach Einschätzung der JMU-Professorin können minderjährige Nutzer kommerzielle Kommunikation durchaus erkennen. Sie seien wie keine andere Altersgruppe mit sozialen Netzwerken vertraut. Und sie seien in der Lage, sich kritisch mit den Empfehlungen der Influencer auseinanderzusetzen. „Außerdem kennen sie sich in der Regel mit den beworbenen Produkten gut aus, und deren Preisklasse liegt im Rahmen des Taschengeldes.“

Influencer-Marketing trägt Früchte
Für ihren Aufsatz hat Scherer aus verschiedenen Studien Fakten recherchiert, die die Relevanz des Influencer-Marketings deutlich machen. Demnach gibt von den 14- bis 17Jährigen jeder fünfte an, schon einmal ein Produkt gekauft zu haben, das von einem Influencer empfohlen wurde. Einer anderen Umfrage zufolge liegt dieser Anteil in der Altersgruppe der 16- bis 24Jährigen sogar bei 44 Prozent.

Eine Studie zeigt, dass Influencer als die drittverlässlichste Quelle für Informationen über Produkte gelten – gleich nach Freunden und Kundenbewertungen. Die interessantesten Produktkategorien sind dabei Beauty, Essen und Mode.

Youtube ist bei Minderjährigen das beliebteste Online-Angebot, gefolgt von WhatsApp, Instagram, Snapchat und Facebook. Auf diesen Portalen verbringen die Jugendlichen offenbar viel Zeit: Sie sind im Schnitt täglich 3 Stunden und 41 Minuten online. Das ergab 2017 eine Basisstudie zum Medienumgang der 12- bis 19Jährigen in Deutschland. 97 Prozent dieser Altersgruppe besitzen ein Smartphone, bei den 12- bis 13Jährigen sind es auch schon 92 Prozent. „Hier besteht faktisch Vollversorgung“, sagt die JMU-Professorin.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Inge Scherer
Juristische Fakultät der Universität Würzburg
Tel.: +49 931 31-82330
scherer@jura.uni-wuerzburg.de

Originalpublikation:
Inge Scherer: „Rezeption kommerzieller Kommunikation in sozialen Netzwerken durch minderjährige Nutzer“, Wettbewerb in Recht und Praxis, März 2019, S. 277 ff. www.ruw.de/Scherer_WRP_2019_277

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