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Samstag, 1. Juni 2019

Eine Scheibe Brot, Wurst, Kaffee

... frühstückt der Fliesenlegermeister vor der Jagd
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Neuhof/gc. Wie und wann beginnt der Tag? 5 Uhr Wecken, 6 Uhr Frühstück: Kaffee, eine Scheibe Brot mit Wurst. 6.30 Uhr Arbeitsbeginn.


Welche Rolle spielt der Wolf gegenwärtig in Mecklenburg-Vorpommern?
Er spielt mehr eine politische als eine natürliche Rolle. In meinem Jagdrevier am Schaalsee tritt er kaum in Erscheinung, auch dann nicht, wenn er mal ein Schaf holt. Das ist in anderen Landstrichen problematischer.

... und welche politische Rolle spielt der Wolf?
Er polarisiert. An ihm scheiden sich die Geister. Der Wolf wird benutzt, um Unsicherheiten und Ängste zu schüren. Man bedient sich seiner, um ökologische Inhalte zu transportieren. Er wird vor den Karren gespannt, geht es um wirtschaftliche Interessen.

Gibt es in Mecklenburg-Vorpommern zu viele Wölfe?
Ich weiß nicht, wie viele Wölfe das Land verträgt. Derzeit sollen in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt 6 Rudel, 4 Paare und ein paar Einzelwölfe unterwegs sein. Das sind die offiziellen Schätzungen. In ganz Deutschland sollen es demnach 73 Rudel und 31 Paare sein. Mich stört, dass von verantwortlicher Stelle niemand bereit ist, eine konkrete Aussage darüber zu treffen, wie viele Wölfe es in einer konkreten Region geben darf. Es geht nicht darum, wie viele Wölfe es insgesamt gibt, sondern wie sie sich verteilen, wo sie sich konzentrieren, wann und wo sie ein Problem werden.

Wodurch werden denn Wölfe überhaupt zum Problem?
Das ist sehr vielschichtig. Wenn Wölfe lernen, dass sie in der Nähe menschlicher Einrichtungen gefahrlos leichter an Futter kommen, dann holen sie sich dort, was sie brauchen. Das können Nutztiere, Hunde oder weggeworfene Lebensmittel sein. Damit werden sie Kulturfolger und zunehmend dreister. Wie auch Füchse und Wildschweine. Wölfe kommen dann auch in die Dörfer und Städte, wie in diesem Jahr in Wittenburg. Auf der anderen Seite verändert das Wild sein Verhalten, wenn Wölfe anwesend sind. Schwarz-, Rot- und Damwild schließen sich zu sehr viel größeren Verbänden zusammen, weil mehr Augen und mehr Ohren eben auch mehr sehen, hören und gemeinsam wehrhafter sind. Ziehen diese Großverbände dann durch eine Landschaft, verursachen sie enorme Schäden.

... und Wildbret sowie Trophäen werden auch weniger.
In dieser Beziehung spielt der Wolf weniger eine Rolle. Trophäenträger sind starke Tiere. Der Wolf holt sich eher junge, alte, kranke, schwache Beute. Dass es weniger Wildbret gibt, passiert durchaus. Das ist ein wirtschaftliches Problem. Kein Jäger pachtet Reviere ohne Wildbret. Also wird dort auch kein Wildfleisch verkauft, keine Gastjagd angeboten. Ein erheblicher wirtschaftlicher Ausfall ist die Folge.

Brauchen wir überhaupt noch Jäger, jagdliches Brauchtum und Jagdwirtschaft?
Ja, unbedingt. Jäger zu sein, ist für mich kein Hobby, sondern eine Lebenseinstellung. Damit verbindet sich sehr viel: Naturverständnis, Nachhaltigkeit, Natur- und Tierschutz, Verantwortungsbewusstsein, Respekt vor dem Leben und der Schöpfung, Tradition, Brauchtum ... Der Jäger reguliert die Wildbestände. Das tut der Wolf auch. Jedoch lassen sich Jäger durch Politik und Gesellschaft sehr gut steuern. Wölfe nicht. Sie werden entweder gar nicht oder als Problem wahrgenommen und werden dann getötet. Dieses Schicksal hat auch der Wolf nicht verdient. Und Wölfe vermitteln weder Brauchtum noch Respekt vor der Natur. Aber die Jäger schon. Sie erklären Zusammenhänge, lehren Verhaltensweisen, leiten an, helfen und leisten kulturelle, soziale, gesellschaftliche sowie Bildungsarbeit.

Zur Person:
„Als Jäger stört der Wolf mich nicht“, sagt  Michael Kuhn und ergänzt: „Mich stört, dass die Politik nicht sagt, wo der Wolf sein darf und wo nicht. Das führt zu Konflikten.“
„Berufliches: 1982 Ausbildung zum Fliesenleger beendet; 1985 Polizeidienst, 1987 - 1990 Studium Staatswissenschaften bei der Polizei; bis 1994 Polizeiermittler; 1995 Beginn der Selbstständigkeit als Fliesenleger; 1996 Fliesenlegermeister
Privates: geboren am 25. Januar 1964 in Westeregeln bei Magdeburg; Angler seit 7. Lebensjahr,, ebenso Jäger, spielt als Freizeitmusiker Jagdhorn, Waldhorn, Trompete, Parforcehorn und Alphorn

Bildunterschrift:
Dienstags leitet der Jäger Michael Kuhn an der Zarrentiner Schule einen Musikkurs mit Waldhorn sowie eine Woche vor den Sommerferien Projekttage zu Naturerleben und Jagdwirtschaft. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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