Suchen

Sonntag, 5. April 2020

Dafür schon mal danke

Mecklenburgs Alltag in der Coronakrise
von Heiko Wruck
BERICHT
Lassahn/gc. Die zweite Woche verhängter Kontaktsperre liegt hinter uns. Im Fernsehen läufen die immer gleichen Filme, unterbrochen von Viren-News, Coronatoten, Horrorfantasien und Heldenbekundungen.


Dazwischen geben sich allerlei Experten gegenseitig die Kante, während TV-Köche, die sonst kleine Löffel garnieren oder ganze Restaurants retten, zum großen Home Cooking einladen. Und natürlich ist jeder ein Held, der gerade daheim in der Kuschligkeit seines Wohnzimmers bleibt.

Was bitte ist heldenhaft daran, daheim zu bleiben? Es ist vernünftig, ja. Es ist angebracht, ja. Es ist für alle sicherer, ja. Aber heldenhaft? Derweil halten andere den Laden am Laufen. In Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Supermärkten sowieso – unter erhöhten Risiken und Belastungen. Doch auch, und das wird eigentlich nie erwähnt, in den Wasserbeschaffungs- und Abwasserentsorgungsbetrieben sowie bei den Stromlieferanten. Das Trinkwasser könnte man sich eine zeitlang ja noch kistenweise liefern lassen. Doch wenn das Abwasser wieder dort hoch kommt wo es eigentlich verschwinden sollte, dann werden schnell die Backen dick. 

Apropos Backen dick. Da gab’s doch letztens die Meldung, dass die Leute in Horgen bei Rottweil es geschafft haben sollen, so viele Feuchttücher, Zeitungspapiere und Küchenkrepp in ihren Toiletten zu entsorgen, dass sie damit die Abwasserentsorgung flächendeckend verhindert haben. Diese intellektuelle Glanzleistung dürfte bis zum Himmel gestunken haben.

Man stelle sich vor, die Stromlieferanten würden auch die Läden dicht machen. Da könnte es ganz schnell eng werden mit Homeoffice, Streamingdienst und Social Media. Zumindest wäre es ein Gewinn, wenn Internetgurus, Untergangspropheten und Verschwörungstheoretiker für kurze Zeit ihr Publikum nicht erreichen würden. Doch zurück zur Sacharbeit. Die wird nämlich dieser Tage im Verborgenen geleistet: in Kommunal- und Stadtverwaltungen sowie in Hilfseinrichtungen. Dafür schon mal danke!

Gespenstisch
Angelika Lübcke ist Projektverantwortliche
im Mehrgenerationenhaus Lübz. Foto: Heiko Wruck
Lübz/gc. Ich arbeite im Mehrgenerationenhaus Lübz in den Projekten „Mobi kommt“ und „MitMachZentrale“. Das Haus ist geschlossen, aber ich fahre jeden Tag durch fast leere Orte und Straßen zur Arbeit. Es ist gespenstisch ruhig. Wir sind jetzt noch drei Kollegen hier und möchten helfen. Eine Kollegin steckt auf den Kanaren fest und arbeitet von dort. Sie erstellt eine Internetseite für Lübz und Umgebung. Wir können fast täglich telefonieren und uns austauschen. Angelika Lübcke

Abstand – Nähe
Britta Brusch-Gamm ist Bürgermeisterin
in der Kleinstadt Crivitz. Foto: Heiko Wruck
Crivitz/gc. Meine Termine reduzieren sich seit Wochen, trotzdem ist jeder Tag voll ausgefüllt. Meine Aufgabe ist, trotz Abstand die Nähe zu unseren Bürgern zu bewahren. Immer neue Maßnahmen bestimmen unser Handeln. Die Stadt hat über 80 Mitarbeiter. Das bedeutet eine völlig andere Arbeitsorganisation  auch digital – wie z. B. unser Crivitzer Kinderkanal. Wir sammeln Lebensmittel ein, kochen und frieren ein, bieten Antragshilfen an und veröffentlichen zu Corona. Britta Brusch-Gamm

Erreichbar sein
Uta Krause ist die hauptberufliche Leiterin
der Telefonseelsorge Schwerin. Foto: privat
Schwerin/gc. Meine Arbeit in der Telefonseelsorge hat sich intensiviert. Das Team der Ehrenamtlichen musste sich neu aufstellen. Viele Kollegen können wegen der Vorsorge keinen Dienst übernehmen. Krisenpläne müssen erarbeitet und Desinfektionsmittel besorgt werden. Unser Ziel ist es, für Menschen mit Sorgen rund um die Uhr erreichbar zu bleiben (0800-111 0 111 sowie 0800-111 0 222). Bei all den aktuellen Veränderungen erlebe ich eine tragende und wunderbare Gemeinschaft. Uta Krause

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de

_____________________________________________