Webplattform und App
Redaktion: Fraunhofer-Gesellschaft
PRESSEMITTEILUNG
München/gc. Parkinson ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. Betroffene leiden unter Bewegungsstörungen, Muskelsteifheit und Gleichgewichtsstörungen. Der Krankheitsverlauf ist nicht vorhersehbar, Experten empfehlen daher eine engmaschige Überwachung der Patientinnen und Patienten.
Neue technische Hilfsmittel sollen den Austausch zwischen Ärztinnen und Ärzten, Pflege und Erkrankten erleichtern und für eine bessere Versorgungssituation sorgen. Im Projekt ParkProReakt entwickeln Fraunhofer-Forschende gemeinsam mit Partnern eine digitale Plattform und eine App, die in Verbindung mit Wearables den Krankheitsverlauf trackt und die Lebensqualität von Parkinson-Erkrankten erhöhen soll.
Allein in Deutschland leben derzeit etwa 400 000 Menschen, die an Parkinson erkrankt sind. Die Symptome lassen sich medikamentös eindämmen, heilbar ist die neurodegenerative Erkrankung jedoch nicht. Bestimmte Zellen, die zur Durchführung von Bewegungen zuständig sind, sterben nach und nach ab, sodass der Bewegungsumfang Betroffener zunehmend eingeschränkt wird und die Hände und Füße in Ruhe zittern. Da der Weg zur Arztpraxis für viele Patientinnen und Patienten eine Herausforderung darstellt und Anfahrtswege vor allem im ländlichen Raum oft lang sind, finden Untersuchungen teilweise nur alle sechs Monate oder noch seltener statt.
Neue Symptome erkennen Erkrankte und Angehörige oft nicht, die behandelnden Ärzte werden dementsprechend nicht informiert. Im Leuchtturmprojekt ParkProReakt wollen Forschende des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT gemeinsam mit Partnern (der Philipps-Universität Marburg, der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Praxis für Neurologie und Psychiatrie Hamburg Walddörfer, der AWO Stadtkreis Gießen e.V. sowie der AWO des Landesverband Hamburg e.V., der Techniker Krankenkasse, der Technischen Hochschule Mittelhessen, der Universität zu Köln, der Universität zu Lübeck, der LiKe Healthcare Research GmbH und der Portabiles HealthCare Technologies GmbH) einen kontinuierlichen Austausch zwischen Ärztinnen, Ärzten und Betroffenen fördern und regelmäßige Kontrolluntersuchungen ermöglichen. Die Projektpartner untersuchen, ob eine digitale Lösung dazu beitragen kann, die Lebensqualität von Parkinson-Erkrankten zu erhöhen. Das Team der Neurologie an der Philipps-Universität Marburg koordiniert das Vorhaben, das bis Ende 2025 läuft.
Bedarfsorientiertes Versorgungsmodell mit holistischem Ansatz
Mit der Entwicklung einer Webplattform und einer mobilen Anwendung für Smartphones, die per Bluetooth mit einer Apple Watch verbunden ist, wollen die Partner ein sektorenübergreifendes, proaktives sowie bedarfsorientiertes Versorgungsmodell etablieren, das einen holistischen Ansatz unter Einbeziehung von Pflegekräften und Spezialistinnen und Spezialisten verfolgt, die sich auf der Plattform austauschen können. Ziel ist es, dadurch eine bessere Versorgung der Patientinnen und Patienten zu erreichen. Zusätzlich sollen die pflegenden Angehörigen entlastet werden, da sie durch den Einsatz der digitalen Lösung in der Einschätzung der Veränderung des Krankheitsverlaufs unterstützt werden.
„Die App namens Active PD wird nach einer Einlernphase von den Patientinnen und Patienten bedient. Die damit gesammelten Daten werden in die Webplattform übertragen, die den Ärztinnen und Ärzten zur Verfügung steht“, erklärt Daniel Wolferts, Wissenschaftler am Fraunhofer FIT. Wolferts und sein Team sind unter anderem für das menschzentrierte Design beider Systeme verantwortlich und mit der bedienerfreundlichen Gestaltung der jeweiligen Benutzeroberfläche befasst.
„Wie kann eine App für Parkinson-Patienten gestaltet werden, welche Informationen möchten die Betroffenen erhalten? Wie werden die Daten auf beiden Applikationen für alle Beteiligten anwenderfreundlich dargestellt, wie werden die Anforderungen am besten erfüllt? Wie können die Betroffenen die erforderlichen Tests und Untersuchungen am Smartphone absolvieren, ohne motorisch überfordert zu sein? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns.“
Klinische Studie mit 170 Teilnehmenden
Das Konzept wird in klinischen Studien mit 170 Erkrankten über die Dauer von sechs Monaten validiert. Eine Interventionsgruppe erhält die digitale Lösung, eine Kontroll-Referenzgruppe wird wie üblich ohne technische Hilfsmittel behandelt. Die Patientinnen und Patienten sind angehalten, zweimal pro Woche mithilfe der App und der mit Sensorik ausgerüsteten Apple Watch spezifische, standardisierte Parkinson-bezogene Tests durchzuführen, die vor allem die motorischen Fähigkeiten und die Befindlichkeit adressieren. Die Tests helfen den Ärztinnen und Ärzten beziehungsweise Versorgenden, krankheitsbedingte Symptome besser einschätzen und mit entsprechenden Maßnahmen schnell darauf reagieren zu können. Beispielsweise müssen die Teilnehmenden vor der Smartphone-Kamera Fingerübungen absolvieren und möglichst schnell mehrmals hintereinander Zeigefinger und Daumen zusammentippen. Eine Bilderkennung markiert Daumen und Zeigefinger und misst während des Tests den Abstand zwischen den Fingern. Bei einer weiteren Übung muss die Faust in hoher Frequenz geöffnet und geschlossen werden. „Betroffenen fällt es krankheitsbedingt schwer, diese Bewegungen schnell und flüssig zu vollziehen“, erklärt der Forscher.
Darüber hinaus wird mittels Sensorik geprüft, ob die Teilnehmenden in der Lage sind, die Hand über einen bestimmten Zeitraum ohne Zittern ruhig zu halten – eine Herausforderung für Menschen mit Parkinson. Fragen zum Wohlbefinden ergänzen die Tests, um bei Bedarf auch auf der emotionalen Ebene unterstützend eingreifen zu können. Ein Ampelsystem informiert den behandelnden Arzt, wenn sich der Zustand eines Erkrankten drastisch verschlechtert. Auch besondere Ereignisse wie Stürze können über die App, die sich derzeit im Prototyp-Status befindet, gemeldet werden.
„Wir hoffen, den Versorgenden mit der digitalen Lösung einen besseren Einblick in den Alltag der Patientinnen und Patienten geben zu können und die Lebensqualität der Betroffenen positiv beeinflussen zu können, sodass sich das Konzept im Erfolgsfall auf andere neurologische Erkrankungen ausweiten lässt“, sagt Wolferts.
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