Wenn ständige Anwesenheit zur Norm wird
... von Heiko Wruck
RATGEBER
Lassahn/gc. Wer das permanente Gefühl hat, zwanghaft am Arbeitsplatz anwesend sein zu müssen, der hat möglicherweise eine Verhaltensstruktur entwickelt, die als Präsentismus bezeichnet wird. Von Präsentismus Betroffene stecken häufig in einem Teufelskreis aus Pflichtgefühl, vermeintlicher Unersetzlichkeit und Überforderung. Betriebswirtschaftlich kann Präsentismus ein gravierendes Problem werden, wenn Erkrankte trotzdem am Arbeitsplatz erscheinen.
Ist Präsentismus eine Krankheit?
Als eigenständige Krankheit wird nicht Präsentismus geführt. Allerdings kann er durchaus zu gravierenden Erkrankungen Betroffener führen. Zu nennen wären:
● Verschlechterung bestehender Erkrankungen
● Erschöpfung
● Müdigkeit
● Stress
● Anspannung
● Schwächung des Immunsystems
● Burn-out
● Depressionen
● Angststörungen
● Herz-Kreislauf-Erkrankungen
● Muskel-Skelett-Erkrankungen
Darüber hinaus kann Präsentismus durch eine permanente Erschöpfung das Risiko für Unfälle am Arbeitsplatz und auf den Arbeits- oder Heimwegen erhöhen. Präsentismus macht reizbar und ist frustrierend. Das kann permanent zu Konflikten mit Kollegen und Vorgesetzten, aber auch mit der Familie führen. Insgesamt ist eine geringere Produktivität eine mögliche Folge von Präsentismus.
Welche Ursachen hat Präsentismus?
Die Ursachen für Präsentismus sind nicht trennscharf nachzuvollziehen. Es gibt viele Gründe, ein solches Verhaltensmuster zu entwickeln. Es ist eher eine Kombination wechselnder Gründe, die das Hineinwachsen in einen handfesten Präsentismus vorantreibt. Zu den häufigsten Ursachen zählen:
● Angst vor Jobverlust
● Überforderung
● schlechte Unternehmenskultur
● Pflichtgefühl
● vermeintliche eigene Unersetzbarkeit
● vermeintliche eigene Bedeutungslosigkeit
● tatsächliche eigene Nutzlosigkeit
● überhöhter Leistungsanspruch
● Angst vor Konflikten
● Verheimlichen von Krankheiten
● Sucht nach Anerkennung
● fehlende Vertretung
● uneffektives Krankmeldesystem
● fehlende Anerkennung von Krankheit
● eigene Unsicherheit
● falsche Selbstwahrnehmung
● falsche Fremdwahrnehmung
● falsches Denken über Schwächen
● falsches Denken über Stärken
● wirtschaftliche Probleme
Welche Formen von Präsentismus gibt es?
Es lassen sich mehrere verschiedene Formen von Präsentismus beschreiben. Sie können sich auch kombinieren oder überlagern beziehungsweise gegenseitig verstärken. Zu diesen Formen gehören:
● Körperlicher Präsentismus
● Psychischer Präsentismus
● Emotionaler Präsentismus
● Gesundheitspräsentismus
● Leistungspräsentismus
● Kultureller Präsentismus
● Technologischer Präsentismus
Wie wird Präsentismus indiziert?
Ob Präsentismus überhaupt festgestellt wird, hängt von den zur Verfügung stehenden Daten ab, vom Betriebsklima und der tatsächlich gelebten Managementkultur. Auf Präsentismus können verschiedene Anzeichen hindeuten. Hier eine Auswahl:
● unausgewogene Fehlzeitenstatistiken
● verminderte Produktivität
● Zunahme von Konflikten
● permanente Erschöpfung
● Burnout
● dauerhaft zu hohe Leistungen
● ständige Einmischung bis in kleinste Details
● überhöhter Kontrolldruck
● penetrantes Reportwesen
Welche Rechtsfolgen hat Präsentismus?
Für Arbeitgeber kann Präventismus gravierende rechtliche Folgen haben. Präventismus steht den Arbeitsgesetzen und Arbeitsschutzbestimmungen entgegen. Wenn im Unternehmen eine Kultur gelebt wird, die Präventismus fördert, verstoßen Arbeitgeber damit gegen ihre Verpflichtung, die Gesundheit und die Sicherheit ihrer Mitarbeiter am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Krankenregelungen, Arbeitsverträge und Unternehmensrichtlinien sind daher genau zu prüfen, ob sie Präventismus fördern. Arbeitet ein Mitarbeiter trotz einer Erkrankung, kann dies im Fall eines Unfalls oder einer daraus resultierenden Berufserkrankung zur Haftbarkeit des Arbeitgebers beziehungsweise verantwortlicher Führungskräfte oder Vorgesetzter führen. Das trifft auch zu, wenn nachgewiesen wird, dass die Betriebsführung oder einzelne Vorgesetzte ein Betriebsklima oder eine Managementkultur etabliert haben, die Präventismus fördert.
Wie kann Präsentismus vermieden werden?
Um dem Präsentismus wirksam präventiv zu begegnen, ist eine ganzheitliche Herangehensweise erforderlich. Das bedeutet, dass sowohl organisatorische als auch individuelle Maßnahmen entwickelt werden müssen, die den gesamten Betrieb und die Führungsstrukturen im Blick haben. Zu diesen Maßnahmen gehören:
● Förderung einer gesunden Unternehmenskultur
● Verbesserung der Arbeitsbedingungen
● Stärkung der Selbstwahrnehmung
● Inanspruchnahme von Unterstützung
● Förderung einer ausgewogenen Work-Life-Balance
● eine offene Kommunikation
● klare Richtlinien und Verfahren
● Sensibilisierung und Schulung
● Förderung einer gesunden Lebensweise
● Erkennung von Krankheitssymptomen
● Führungskräfte unterstützen
● Unterstützung ihrer Mitarbeiter
● flexible Arbeitsarrangements
● Möglichkeit von Telearbeit
● Anpassung von Arbeitszeiten
● Möglichkeiten zum Homeoffice
Kontakt:
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