Europas Quanten-Infrastruktur wächst
Redaktion: Forschungszentrum Jülich
PRESSEMITTEILUNG
Jülich/gc. Das Jülich Supercomputing Centre (JSC) am Forschungszentrum Jülich hat Mitte November einen 100-Qubit-Quantencomputer des Unternehmens Pasqal erhalten. Pasqal gilt als ein weltweit führender Anbieter von Quantencomputing-Systemen auf der Basis neutraler Atome. Der neue Quantencomputer wurde als Teil des Projekts HPCQS von EuroHPC JU angeschafft und soll mit dem Supercomputer JURECA DC am JSC gekoppelt werden. Forschende können damit auf hybride Rechenressourcen bestehend aus klassischen Supercomputern und Quantencomputern zugreifen, um komplexe Herausforderungen zu bewältigen.
Die Bereitstellung des Quantencomputers ist ein wichtiger Meilenstein im HPCQS-Projekt der europäischen Partnerschaft EuroHPC JU. Die Initiative „High Performance Computer and Quantum Simulator Hybrid“ hat zum Ziel, die Integration von Quantensystemen in die europäische Supercomputing-Infrastruktur voranzutreiben und neue leistungsstarke Ressourcen für die Lösung komplexer Optimierungsprobleme zu schaffen. Die unterstützten Anwendungen kommen aus so unterschiedlichen Bereichen wie Arzneimittelentwicklung, Lieferkettenmanagement, Planung von Funknetzen, intelligentes Aufladen autonomer Fahrzeuge, Handels- und Finanzdienstleistungen sowie Cybersicherheit. Darüber hinaus kann die Rechenleistung der Pasqal Quantum Processing Unit, kurz QPU, für Simulationen in Physik und Chemie sowie für Quanten-Maschinenlernen genutzt werden.
Das neue Gerät erweitert die Jülich UNified Infrastructure for Quantum computing, kurz JUNIQ. Die vom JSC betriebene öffentliche Nutzerinfrastruktur für Quantencomputer bietet Wissenschaft und Industrie Zugang zu modernsten Quantencomputern und fördert so den frühzeitigen Einstieg in das Quantencomputing.
Das HPCQS-Projekt wird vom European High Performance Computing Joint Undertaking, kurz EuroHPC JU, und den sechs europäischen Ländern Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Österreich und Spanien getragen. HPCQS wird vom JSC koordiniert und zielt darauf ab, zwei Pasqal-Quantencomputer, die jeweils mehr als 100 Quantenbits, auch Qubits genannt, steuern, in zwei bestehende Supercomputer zu integrieren. Der erste Quantencomputer wurde vor vier Monaten an das französische Supercomputing-Zentrum GENCI/CEA geliefert und wird dort in den Joliot-Curie-Supercomputer integriert, während der zweite Quantencomputer, der zu gleichen Teilen von EuroHPC JU und dem deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wird, nun an das JSC geliefert wurde.
Statements
„Dieser Quantensimulator ist ein weiterer wichtiger Baustein der Quantencomputing-Infrastruktur am Forschungszentrum Jülich. Die Kopplung von Quantensystemen und Supercomputern ermöglicht es, die Vorteile beider Systeme zu vereinen und das Potenzial von Quantencomputern bereits heute für erste praktische Anwendungen zu nutzen“, erklärt Prof. Dr. Astrid Lambrecht, Vorstandsvorsitzende des Forschungszentrums Jülich.
„Der Quantenprozessor am JSC ist ein wichtiger Meilenstein“, betont Prof. Kristel Michielsen, Leiterin JUNIQ & Quantum Computing am JSC. „Wir befinden uns nun auf der Zielgeraden, um zwei hybride HPC-QS-Systeme in Frankreich und Deutschland zu realisieren, die europäischen Endnutzerinnen und Endnutzer Zugang zu außergewöhnlicher Rechenleistung bieten – und künftig zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen werden.“
„Unsere Partnerschaft mit dem Forschungszentrum Jülich und die daraus hervorgehende Kopplung unserer QPU mit dem Superrechner JURECA DC ist eine einzigartige Gelegenheit, Innovationen in Bereichen wie der Materialwissenschaft, der Arzneimittelforschung und der künstlichen Intelligenz durch die Arbeit europäischer Forscher voranzutreiben. Sie schafft auch den Rahmen für den privaten Sektor, um industrielle Anwendungsfälle zu erforschen und zu perfektionieren und gleichzeitig Zugang zur neuesten Technologie im Bereich Quanten- und High-Performance-Computing zu erhalten“, sagt Dr. Georges-Olivier Reymond, CEO und Mitbegründer von Pasqal.
„Ich freue mich sehr, den zweiten HPCQS-Quantencomputer begrüßen zu dürfen - ein wichtiger Schritt, um europäischen Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit zu geben, bahnbrechende Algorithmen und Anwendungen durch die Kombination von Quanten- und klassischen HPC-Ressourcen zu entwickeln. Ich bin gespannt, wie die ersten Projekte in den kommenden Monaten das Potenzial dieser Spitzentechnologie nutzen werden“, erklärt Anders Jensen, Exekutivdirektor des EuroHPC JU.
Quantencomputer mit Neutralatomen
Pasqals Quantencopmputer funktionieren nach dem Prinzip eines analogen Computers. Solche Quantensysteme haben das Potenzial, komplexe Berechnungen und Analysen durchzuführen, die mit klassischen Computern schwer oder gar nicht möglich sind. Dazu gehört beispielsweise die Lösung quantenmechanischer Vielteilchensysteme, welche die Eigenschaften vieler miteinander wechselwirkender Teilchen beschreiben. Die Idee: Es wird ein künstliches Quantensystem geschaffen, dessen Merkmale auf Teilaspekte des zu untersuchenden Systems übertragbar sind. Dies ermöglicht es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die komplexen Eigenschaften und Dynamiken des Systems in einer kontrollierten Umgebung genauer zu studieren.
Die Technologie von Pasqal basiert auf sogenannten Neutralatomen. Diese Atome besitzen keine elektrische Ladung und wechselwirken daher nur gering mit elektromagnetischen Feldern in der Umgebung – eine wichtige Voraussetzung für stabile Quantenberechnungen. Die Atome werden mit Laserlicht gefangen und manipuliert, um hochpräzise Quantenoperationen zu ermöglichen. Zudem lassen sich Neutralatome relativ einfach in großen Feldern anordnen, so dass sich das Quantensystem leichter erweitern lässt.
Über HPCQS
Das Projekt High Performance Computer and Quantum Simulator hybrid (HPCQS) ist eine europaweite Initiative mit dem Ziel, die europäische hybride Quanten-HPC-Infrastruktur voranzubringen. Forschende sollen so in die Lage versetzt werden, die Leistung von klassischen als auch von Quantencomputern zu nutzen, um komplexe wissenschaftliche Herausforderungen zu lösen.
HPCQS schafft dafür eine offene und entwicklungsfähige Infrastruktur. Diese soll in Zukunft durch die Einbindung vielfältiger unterschiedlicher Plattformen für Quantencomputer auf verschiedenen technologischen Entwicklungsstufen erweitert werden und die Integration weiterer europäischer Knoten für Quantencomputer ermöglichen. Die HPCQS-Infrastruktur ist nach JUNIQ der zweite Schritt auf dem Weg zu einer europäischen Infrastruktur für Quantencomputer und -simulation, EuroHPC-QCS, wie sie in der strategischen Forschungs- und Industrieagenda 2030 des Europäischen Quantenflaggschiff-Projekts gefordert wird. Damit wird HPCQS nicht nur die globale Position Europas in diesem Bereich stärken, sondern auch die Voraussetzungen für transformative Fortschritte in verschiedenen Gebieten schaffen.
Der Quantencomputer in Frankreich wird Anfang 2025 einsatzbereit sein und die Berechnung der ersten Anwendungsfälle ermöglichen. Der Quantencomputer in Jülich wird voraussichtlich ab Juni 2025 zur Verfügung stehen (https://www.hpcqs.eu).
Über das Jülich Supercomputing Centre / Forschungszentrum Jülich
Das Jülich Supercomputing Centre (JSC) im Forschungszentrum Jülich stellt Forschenden in Deutschland und Europa Rechenzeit auf Supercomputern der höchsten Leistungsklasse zur Verfügung und betreibt mit JUNIQ eine europäische Quantencomputer-Infrastruktur für Wissenschaft und Industrie. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des JSC verbinden eine ausgewiesene Expertise auf den Gebieten des Höchstleistungsrechnens und der Künstlicher Intelligenz, entwickeln zuverlässige, transparente KI-Werkzeuge und Grundlagenmodelle und sind als Experten in Wissenschaft und Industrie gefragt.
Das JSC ist eingebettet in das Forschungszentrum Jülich, einem Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, das mit 7400 Beschäftigte interdisziplinär für eine digitalisierte Gesellschaft, ein klimaschonendes Energiesystem und nachhaltiges Wirtschaften forscht. Die natur-, lebens- und technikwissenschaftliche Forschung konzentriert sich auf die Bereiche Information, Energie und Bioökonomie (https://www.fz-juelich.de/de/ias/jsc).
Über Pasqal
Pasqal ist ein führendes Unternehmen im Bereich Quantencomputer, das Quantenprozessoren aus neutralen Atomen in 2D- und 3D-Anordnungen herstellt, um seinen Kunden einen praktischen Quantenvorteil zu verschaffen und reale Probleme anzugehen. Pasqal wurde 2019 aus dem Institut d'Optique heraus von Georges-Olivier Reymond, Christophe Jurczak, Professor Dr. Alain Aspect – Physik-Nobelpreisträger 2022, Dr. Antoine Browaeys und Dr. Thierry Lahaye gegründet (http://www.pasqal.com).
Über das EuroHPC Joint Undertaking
Das EuroHPC Joint Undertaking (EuroHPC JU) ist eine rechtliche und finanzielle Instanz, die 2018 gegründet wurde, um die Bemühungen der Europäischen Union und der am EuroHPC JU teilnehmenden Länder zu koordinieren und ihre Ressourcen zu bündeln, mit dem Ziel, Europa zu einer weltweit führenden Größe im Supercomputing zu machen.
Um Europa mit einer weltweit führenden Supercomputing-Infrastruktur auszustatten, hat EuroHPC JU bereits neun Supercomputer beschafft, die über ganz Europa verteilt sind. Unabhängig von ihrem Standort können europäische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Nutzerinnen und Nutzer aus dem öffentlichen Sektor und der Industrie über die EuroHPC Access Calls von diesen EuroHPC-Supercomputern profitieren, um die Wissenschaft voranzubringen und die Entwicklung eines breiten Spektrums von Anwendungen mit industrieller, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung für Europa zu stärken.
Mit dem Ziel, Zugang zu der größtmöglichen Vielfalt an europäischen Quantencomputer-Plattformen und hybriden klassisch-quantischen Architekturen zu bieten, hat EuroHPC JU kürzlich vier Quantencomputer erworben, die derzeit in Polen, der Tschechischen Republik, Frankreich und Deutschland eingesetzt werden. Weitere Quantencomputer werden in naher Zukunft in Spanien und Italien, aber auch in Luxemburg und den Niederlanden in Betrieb genommen, wobei modernste Quantentechnologien zum Einsatz kommen, die bisher in keinem anderen EuroHPC-Quantencomputer verfügbar sind (https://eurohpc-ju.europa.eu/index_en).
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