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Montag, 24. Februar 2025

Es war wie ein fast stummer Schrei

Demonstration in Winsen am 22. Februar 2025
... von Heiko Wruck
BERICHT

Als PDF lesen. Winsen/gc. Das Datum hat eine historische Dimension. Am 22. Februar 2025 versammelten sich in Winsen (Luhe), einen Tag vor der Bundestagswahl, Menschen, um gegen den Rechtsruck in Deutschland zu demonstrieren. Historisch ist, dass die anstehende Wahl die erste ist, die nach 1933 wieder eine rechtsradikale Regierung offeriert. Gleichzeitig ist der 22. Februar 1943 der Tag, an dem die Faschisten in Deutschland die studentische Widerstandskämpferin Sophie Scholl mit dem Fallbeil umgebrachten. Am 19. Februar 2020 hatte ein Faschist in Hanau neun Migranten erschossen. Ein Gedenken auf der Demo in Winsen an Sophie Scholl oder an die neun Opfer in Hanau: Fehlanzeige. An der Luhe ging es allein um das Jetzt und Hier sowie um die Wahl.


In der niedersächsischen Kleinstadt leben unter 37.000 Einwohner. Sie ist die drittgrößte Gemeinde und zugleich die zweitgrößte Stadt des Landkreises Harburg. Als vor etwa einem Jahr (Januar 2024) in ganz Deutschland Millionen Menschen auf die Straßen gingen, um gegen die Remigration zu protestieren, waren auch in Winsen an der Luhe noch gut 2.000 bis 3.000 Menschen dabei. Dem Aufruf zur Demonstration des Veranstalters W.L.A.N. – Winsen Luhe Against Nazis – am vergangenen Samstag zur Demonstration unter dem Motto „Für Vielfalt, gegen den Rechtsruck“ waren lediglich circa 600 Menschen gefolgt. Startpunkt war der Bahnhof Winsen. Der Demonstrationszug bewegte sich unter Polizeischutz durch die Innenstadt zum Endpunkt auf dem Schlossplatz. Ihre Forderungen:


Keine Koalition mit der AfD!
Für eine Gesellschaft ohne 
Rassismus, ohne Diskriminie-
rung, ohne Hetze!
Für ein besseres Leben für alle 
– unabhängig von Herkunft, 
Geschlecht oder Religion!
Lasst uns laut und entschlossen 
für die Werte eintreten, die uns 
als Gesellschaft zusammenhal-
ten: Respekt, Menschlichkeit 
und Toleranz.


Die Losungen hatten klare Botschaften: „Das ist meine Wahlheimat. Ich bleibe hier!“; „Nicht mal auf meinem Plakat ist Platz für Nazis“; „Ich mag Nazis generell nicht“; „Nazis hatten wir schon! War KACKE!“; „Bunt statt Braun“ und vieles mehr stand dort zu lesen.


Auffällig war, dass die Demonstranten trotz ihrer guten Hör- und Sichtbarkeit weitgehend unter sich blieben. Während die Cafés gut besucht waren und auch viele Menschen durch die Stadt flanierten zog der Demonstrationszug ohne Rückkopplung an ihnen vorbei. Kein Zulauf, keine vernehmbare Zustimmung. Häufig belustigte Neugier. Unter den Passanten und Zaungästen in der Innenstadt von Winsen waren zahlreiche Migranten. Sie könnten ein ursächliches Interesse an der anstehenden Bundestagswahl haben, so die Vermutung. Aber auch diese Zaungäste wurden ganz offensichtlich nicht von den Demonstranten erreicht. Ihre Reaktionen reichten von Gelächter, Belustigung und Kopfschütteln bis hin zur Platzflucht.


Einigen der Winsener Passanten, ihrem Äußeren nach keine Migranten, passte offenbar die Demonstration gar nicht. Ihr Protest blieb jedoch relativ leise und verhalten. Kommentare wie „linke Spinner“, „versiffte Grüne“, „Idioten“, „die ham gerade noch gefehlt“, waren zu vernehmen, verhallten aber weitgehend ungehört. Ein Demo-Zaungast, der nicht fotografiert werden und seinen Namen nicht in den Medien genannt wissen wollte, fragte, warum es denn dazu keine Gegen-Demo gebe? Wenn die Antifa marschiert, die Schwulen und die Grünen dabei sind und die Linken, dann müsse es doch auch dagegen eine Demonstration geben. Seine Vermutung: Die dürfen wohl nichts machen. Kopfschüttelnd wandte er sich sich ab und hinterließ im Weggehen den Kommentar: „Ich habe noch niemals die AfD ge­wählt, aber ich weiß jetzt auf jeden Fall schon, wen ich wähle.“ Wen er für seine Wahl favorisierte, erklärte er jedoch nicht.


Protest gegen die Anti-Rechts-Demo gab es am Rande aber doch. Eine Gruppe von etwa sieben sehr jungen Menschen zeigte, dass sie gegen die Demonstranten und ihr Anliegen sind. Wenig später benutzte ein etwa Zehnjähriger einen Plastikkanister als Pauke und skandierte „AfA, AfD, AfD!“ Niemand nahm das Kind und seine Paukenschläge ernst. Unter leichtem Gelächter zog der Tross weiter durch die Innenstadt.

Schließlich erreichte der Demonstrationszug den Endpunkt Schlossplatz – eingerahmt von einer kleinen Bühne, vom Winsener Schloss und vom Marstall. Hier wurden dann nochmals die bereits unterwegs skandierten Slogans wiederholt. Ein paar Redner feuerten die Demonstranten an, in ihrem Widerstand gegen den Rechtsruck in Deutschland auch nach der anstehenden Bundestagswahl nicht nachzulassen. In den Reden wurde nicht nur die AfD als Feindbild der Demokratie genannt. Starker Protest wurde auch gegen die CDU/CSU und besonders gegen deren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz gerichtet. Er wurde als Steigbügelhalter für den aufkommenden Faschismus in Deutschland gebrandmarkt. Hier wurde besonders kritisiert, dass Friedrich Merz im Wahlkampf am Mittwoch, 29. Januar 2025, die Stimmen der AfD billigend in Kauf genommen hatte, um einen „Fünf-Punkte-Plan“, der die Zurückweisung von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen fordert, mit den Stimmen der AfD mehrheitsfähig zu machen. Dieser Antrag bekam die von Merz erhoffte parlamentarische Mehrheit. Zwei Tage später scheiterte ein weiterer CDU/CSU-Antrag für das sogenannte „Zustrom­begrenzungsgesetz“ im Bundestag. Als Kanzlerkandidat der Union hatte Friedrich Merz einen radikalen Kurswechsel in der Asyl- und Migrationspolitik angekündigt. Diesen Kurswechsel mit der ausdrücklichen Zustimmung der AfD kritisierten sowohl die Politiker der Grünen, der SPD und der Partei Die Linke als auch die Demonstranten auf dem Schlossplatz von Winsen (Luhe).

Das Ende der Demonstration „Für Vielfalt, gegen den Rechtsruck“ wurde schließlich durch ein scheinbar nicht enden wollendes Protest-Lied, begleitet auf der Klampfe, eingeleitet. Nach gefühlten 14 Strophen, die auch noch in einem sehr jammernden Ton vorgetragen wurden, hatten manche Demonstrationsteilnehmer den offensichtlichen Wunsch, dass die Veranstaltung dann auch endlich beendet werden könnte. Protest-Lied geht anders.

Fazit:
Selbst wenn die Winsener Demo deutliche Schwächen hatte, so war sie doch ein wichtiges und ehrliches Signal, die Demokratie in Deutschland bei der anstehenden Bundestagswahl zu schützen. Und das ist auf jeden Fall auch gut so.

Montag, 24. Februar 2025, die Bundestagswahl ist gelaufen, die AfD ist nach der CDU/CSU die zweitstärkste politische Kraft in Deutschland. Als Regierungspartei wird die CDU/CSU zeigen müssen, wie worttreu sie sich gegen einen Schulterschluss mit der AfD behaupten wird – und zwar nicht nur über die volle Distanz der nächsten Legislatur. Diese deutsche Regierung wird auch daran gemessen, wie sie es mit konkret den Menschenrechten, mit dem Völkerrecht, mit dem bislang vereinbarten EU-Recht und mit dem in Deutschland geltenden Asylrecht hält. Weitere Gradmesser werden die Klima-, Umwelt-, Sozial- und die Wirtschaftspolitik sein. Nicht zuletzt werden auch die Flüchtlingspolitik und ihre Politik zum Ukrainekrieg maßgebend dafür sein, wie die Weichenstellung für die Bundestagswahl 2029 ausfallen wird. Die Zeichen dafür stehen heute bereits auf Sturm! Denn die AfD konnte als einzige Partei im Bundestag ihr Ergebnis bei der Bundestagswahl 2025 verdoppeln.


NACHTRAG
Montag, 24. Februar 2025, die Bundestagswahl ist gelaufen, die AfD ist nach der CDU/CSU die zweitstärkste politische Kraft in Deutschland. Als Regierungspartei wird die CDU/CSU zeigen müssen, wie worttreu sie sich gegen einen Schulterschluss mit der AfD behaupten wird – und zwar nicht nur über die volle Distanz der nächsten Legislatur. Diese deutsche Regierung wird auch daran gemessen, wie sie es mit konkret den Menschenrechten, mit dem Völkerrecht, mit dem bislang vereinbarten EU-Recht und mit dem in Deutschland geltenden Asylrecht hält. Weitere Gradmesser werden die Klima-, Umwelt-, Sozial- und die Wirtschaftspolitik sein. Nicht zuletzt werden auch die Flüchtlingspolitik und ihre Politik zum Ukrainekrieg maßgebend dafür sein, wie die Weichenstellung für die Bundestagswahl 2029 ausfallen wird. Die Zeichen dafür stehen heute bereits auf Sturm! Denn die AfD konnte als einzige Partei im Bundestag ihr Ergebnis bei der Bundestagswahl 2025 verdoppeln. Wenn also diese Partei mit ihren Inhalten ihren Stimmenanteil in den drei Jahren der Ampel verdoppeln konnte, dann wird sie in den möglicherweise vier Jahren dieser Legislatur in der Lage sein, bei der Bundestagswahl 2029 über 50 Prozent zu kommen. Merz ist einmal angetreten, um die AfD zu halbieren. Dieser Flop könnte sich als Menetekel für seine Kanzlerschaft erweisen. Heiko Wruck

Bildunterschrift 1:
Winsen (Luhe), Samstag, 22. Februar 2025, Demonstration gegen den Rechtsruck in Deutschland. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 2:
Frauen fürchten auch in Deutschland um ihre Rechte, wenn Konservative mit Rechtsradikalen den Schulterschluss suchen. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 3:
Die Demokratie war seit 1945 in Deutschland an den Wahlurnen noch nie so stark bedroht wie heute. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 4:
Der Protest gegen den aufkommenden Faschismus in Deutschland blieb zumindest in Winsen an der Luhe eher verhalten. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 5:
Rund 600 Menschen hatten sich am Samstag in Winsen (Luhe) zusammengefunden, um den Faschismus zu verhindern. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 6:
Im Bild zwei wichtige Botschaften, die im vergangenen Wahlkampf weitergehend unterbelichtet waren. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 7:
Bunt statt Braun – eine Forderung, die für alle Menschen in Deutschland eine tiefgreifende, lebensbestimmende Perspektive ist. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 8:
Am vergangenen Samstag, 22. Februar 2025, hatten sich auf dem Schlossplatz in Winsen an der Luhe circa 600 Menschen versammelt, um gemeinsam gegen den Rechtsruck in Deutschland vor der anstehenden Bundestagswahl zu demonstrieren. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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