USA verlassen die NATO
KOMMENTAR
Lassahn/gc. Wer in der DDR aufgewachsen ist, bekam das Feindbild NATO praktisch in die Wiege gelegt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion, dem Zusammenbruch des Ostblocks, der Auflösung des Warschauer Vertrags und nach der deutschen Wiedervereinigung schien nun auch die NATO – als Werkzeug des Kalten Krieges – obsolet.
Für den Aufbau eines neuen, modernen europäischen Militärbündnisses fehlten jedoch immer der Wille und die Kraft auf dem alten Kontinent. Und nun ziehen sich die USA aus der NATO zurück. Bundeswehr-Generalleutnant Christian Freuding, zurzeit der amtierende Inspekteur des Heeres, sagte in einem Interview mit dem US-Magazin „The Atlantic“, dass die Verbindung zum Pentagon „abgeschnitten, wirklich abgeschnitten“ ist. Das sagte der Bundeswehr-General bereits im Sommer 2025. Der Text soll für die Printausgabe des Magazins im Januar 2026 produziert worden sein.
Vor dem Hintergrund von NATO-Bündnispflichten, Ukraine-Hilfe und europäischer Sicherheit ist der aktuelle Zeitpunkt der Veröffentlichung des Generalswortes kaum zu unterschätzen. Man mag zur NATO stehen wie man will: ein Grund zur Freude ist der Rückzug der USA aus dem Bündnis kaum. Denn es ist sehr zu vermuten, dass die USA im Konfliktfall Europa nicht beistehen werden. Warum auch? Immerhin ist nicht mehr Russland der Hauptgegner der USA, sondern China.
Strategisch könnte es also eher den USA darum gehen, Russland als Freund zu gewinnen, um Chinas Ambitionen einzuhegen. Für solche Deals braucht man Verhandlungsmasse. Da passt ein schwaches, zersplittertes Europa mit vielen kleinen größenwahnsinnigen Fürsten recht gut ins Konzept. Slowakai first! Polen first! Ungarn first! Deutschland first! Jeder für sich first! Putin wirds freuen. Im Westen nichts Ernstes.
Vielleicht werden hier und jetzt die Weichen für den nächsten großen Krieg in Europa gestellt? Vielleicht geht es aber auch nur darum, die Europäische Union für den US-amerikanischen Markt weichzukochen: Technologieabhängigkeit vom Silikon Valley erhalten und ausbauen, Europa als Wirtschaftsgröße einhegen und seine politische Kraft auf der internationalen Bühne weiter schwächen.
Ohne eine starke gemeinsame europäische in Steuer-, Verteidigungs-, Sozial-, Wirtschafts- und Handelspolitik wird die Europäische Union in bereits wenigen Jahren in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sein.
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Heiko Wruck@t-online.de
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