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Sonntag, 9. März 2014

Zwei tote Juden

Wittenburg hat nun Stolpersteine
von Heiko Wruck
BERICHT
Wittenburg/gc. Es wird ihnen nicht gefallen, den Nazis im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns. Aber seit gestern 14 Uhr, 8. März 2014, hat die Stadt Wittenburg zwei goldene Stolpersteine zum Gedenken an die Geschwister Martha und Max Lazarus. Martha Lazarus war von den deutschen Faschisten als Jüdin vor 75 Jahren in den Freitod getrieben worden. Ihr Bruder Max wurde von den Nazis vor 73 Jahren ermordet. Ihr Verbrechen war, Juden zu sein.

Über 45.000 Stolpersteine wurden seit dem ersten Verlegen eines Stolpersteins am 16. Dezember 1992 vor dem Historischen Kölner Rathaus, am damals 50. Jahrestag des Auschwitz-Erlasses, verlegt. Dieser Stein trägt noch keinen Namen, sondern zitiert die ersten Zeilen des mörderischen Erlasses. Stolpersteine, die konkrete Namen und die dahinterstehenden Schicksale in die Gegenwart rufen, folgten tausendfach in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern. Zwei finden sich nun auch direkt vor dem ehemaligen Wohnhaus der Geschwister Lazarus in Wittenburg, in der Großen Straße 54.

Die beiden Wittenburger Stolpersteine wurden verlegt im Beisein der Stadtvertreter, der Bürgermeisterin Dr. Margret Seemann, Wittenburger Schülern, die die Stolpersteine als Projekt auf den Weg gebracht hatten, und zahlreichen Bürgern. Die Verlegung wurde vom Erfinder der Stolpersteine, Gunter Demnig, vorgenommen.


Gunter Demnig berichtete den Wittenburgern von Begegnungen mit direkten und entfernten Angehörigen ermordeter Juden, die oft nach vielen Jahren erst anlässlich der Verlegung von Stolpersteinen wieder, manche sogar erstmals, nach Deutschland kamen. Mit den Stolpersteinen stellt Gunter Demnig die Schutzbehauptung einiger Zeitzeugen in Frage, die von den Deportationen damals nichts bemerkt haben wollen. Wer über das Pflaster geht, dem fallen die Stolpersteine auf. So sind auch die Deportationen der damaligen Juden in den vielen kleinen und großen Städten nicht unbemerkt geblieben. Demning hat wegen seines Stolperstein-Projekts bereits drei Morddrohungen erhalten.

Die Schicksale von Martha und Max Lazarus haben zirka 20 Wittenburger Schüler recherchiert und wieder in Erinnerung gerufen. Der Wahl-Wittenburger Gerd Wendt war der Initiator der Lazarus-Stolpersteine in Wittenburg und auch offizieller Ansprechpartner für Stolpersteine in Wittenburg (www.stolpersteine.eu/kontakt). Wendt stellte erste Forschungen an und führte Gespräche mit der Stadtverwaltung. Daraus ergab sich durch eine Empfehlung des Ausschusses für Kultur und Sport, die Stolpersteine zu einem Projekt mit dem Gymnasium Wittenburg zu entwickeln.

Die Geschwister Lazarus haben als Mitbürger unter den Wittenburgern gelebt. Sie waren Freunde, Geschäftspartner, Bekannte ... Als Juden wurden sie vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und sozial isoliert, ihr Textilgeschäft wurde boykottiert. So ging es ihnen immer schlechter. Allerdings gab es auch Mitbürger, die den beiden jüdischen Mitbürgern heimlich Lebensmitteln brachten. Nachdem Martha Lazarus am 15. Oktober 1939 dem Druck nicht mehr stand hielt und sich erhängte ging ihr Bruder Max am 26. Januar 1940 nach Hamburg, lebte und arbeitete dort. Am 8. November 1941 wurde er nach Minsk deportiert und dort am 11. November 1941 ermordet.

Seit 2006 sitzen wieder Menschen im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, die sich ganz unmittelbar in der Tradition der deutschen Faschisten sehen und versuchen, deren mörderisches Treiben zu relativieren. Wozu Faschisten fähig sind, daran erinnern nun auch die beiden Stolpersteine für Martha und Max Lazarus vor dem Haus Nummer 54 in der Großen Straße in Wittenburg.



Bildunterschrift 1:
Die Wittenburger Martha und Max Lazarus wurden vor über 70 Jahren von den deutschen Faschisten in den Tod getrieben. Seit dem 8. März 2014 erinnern zwei Stolpersteine vor ihrem einstigen Wohnhaus an ihr Schicksal. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 2:
Verlegung der Stolpersteine für Martha und Max Lazarus vor ihrem ehemaligen Wohnhaus, Große Straße 54, in Wittenburg: Drei Morddrohungen hat der Künstler und Stolperstein-Initiator Gunter Demnig bereits wegen seines Engagements erhalten. Foto: Heiko Wruck

Bildunterschrift 3:
Sie mussten sterben, weil sie Juden waren. Fotos: Stadtarchiv Wittenburg

Bildunterschrift 4:
Wittenburgs Bürgermeisterin Dr. Margret Seemann bedankt sich bei Gunter Demnig für dessen mutiges Engagement. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
Heiko@Wruck.org
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