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Sonntag, 1. Juni 2014

24 Stunden an 365 Tagen

Gut gefrühstückt in die Telefonseelsorge
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Schwerin/gc. Sie sind täglich rund um die Uhr am Ball. Bleibt da Zeit für’s Frühstück?
Auf jeden Fall. Ohne Frühstück mit Kaffee und einem Glas Orangensaft gehe ich nicht aus dem Haus: Tanken für den Tag.

Tanken für den Tag, das hört sich nach Schwerstarbeit an.
Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter in der Telefonseelsorge sind rund um die Uhr für Menschen in Not da. Meine Aufgabe ist es, für die Ehrenamtlichen Mitarbeiter der Ökumenischen Telefonseelsorge Mecklenburg da zu sein. Hier gibt es drei Standorte – Rostock, Neubrandenburg und Schwerin – mit insgesamt über 200 Mitarbeitern. Jeden Tag sind unsere Gesprächspartner Helfer oder Zuhörer für Menschen, mit denen sie nur am Telefon Kontakt haben. Da erfahren sie sehr viel Belastendes und halten Schweres gemeinsam mit dem Anrufer aus. Sie hören zu – 24 Stunden an 365 an Tagen. So verlässlich wie die Ehrenamtlichen für die Anrufer da sind, genauso bin ich für die Ehrenamtlichen da.

Was sind das für Leute, die in der Telefonseelsorge arbeiten?
Sie sind Ehrenamtler und bleiben ausnahmslos anonym. Ab 25 Jahren, ohne Vorstrafen, einem Eignungsgespräch und einer einjährigen kostenlosen Ausbildung ist eine Mitarbeit für Menschen möglich, die dauerhaft psychisch belastbar sind, das Ehrenamt tatsächlich mit dem Berufs- oder Privatleben sowie auch mit ihrer Familie langfristig verlässlich unter einen Hut kriegen. Außerdem bekommt man für dieses anonyme Ehrenamt kein öffentliches Dankeschön. Anonymität ist wichtig zum Schutz der Anrufer und zum Schutz der Seelsorger.

Wie oft wird die Telefonseelsorge angerufen?
Im letzten Jahr waren es zirka 24.000 Anrufe, nur in der von uns betreuten Region Westmecklenburg.

Gibt es denn so viele Selbstmörder im Land?
Es melden sich nicht nur suizidale Anrufer. Ganz viele Menschen leiden unter schwerer Einsamkeit und brauchen einen verlässlichen Gesprächspartner nach draußen. Andere haben Probleme mit der Erziehung ihrer Kinder, stecken in Lebenkrisen, haben Konflikte in der Beziehung oder auf der Arbeit. Kinder und Jugendliche trauen sich beispielsweise wegen eines schlechten Zeugnisses nicht nach Hause und haben auch so eine Menge Sorgen. Die Liste ist lang ... Eines muss gesagt werden: die Telefonseelsorger lösen nicht die Probleme der Anrufer, denn das können diese dank des klärenden Gespräch häufig selbst.

Wie finanziert sich die Telefonseelsorge?
Es gibt vier Träger: das Erzbischöfliche Amt Hamburg, das Diakonische Werk Mecklenburg-Vorpommern, der Caritas Mecklenburg e.V. sowie der Mecklenburgische Kirchenkreis der Nordkirche. Bundesweit sind zwei Rufnummern geschaltet: 0800-1110111 sowie 0800-1110222. Beide Nummern sind für den Anrufer kostenlos – egal wie oft angerufen wird, egal wie lange das Gespräch dauert und egal aus welchem Telefonnetz. Telefonseelsorge ist ein geschützter Begriff. Wir sind komplett unentgeltlich und anonym für Menschen in Not da – wenn wir angerufen werden.

Zur Person
Es geht in der Telefonseelsorge immer nur um den, der gerade anruft, sagt
Uta Krause und verlässt sich voll auf ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter 
Berufliches: studierte berufsbeleitend in Berlin Sozialpädagogik, lernte auch die schweren Wechselfälle des Lebens kennen und übernahm 2006 hauptberuflich die Leitung der Ökumenischen Telefonseelsorge Schwerin; dort begleitet sie 90 Telefonseelsorger; organisiert deren Dienstpläne, Aus- und Weiterbildungen, spricht mit Bewerbern und ist die Schnittstelle zur Öffentlichkeit sowie zu weiteren psychosozialen Einrichtungen
Privates: evangelisch, die gebürtige Rostockerin lebt heute in Neukloster; sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder; nach dem Aufstehen geht ihr Blick immer zuerst auf’s Handy, um zu sehen, ob dringende Nachrichten eingetroffen sind, erst danach beginnen die morgentlichen Rituale bis sie wieder ins Auto steigt und zur Arbeit fährt; wenn der neue Tag beginnt, hat sie gern noch ein bisschen Ruhe

Bildunterschrift:
Uta Krause (49): „Telefonseelsorge braucht keine Hilfe, sondern Helfer. Interessenten können mich unter Tel. 0385-51 25 25 oder unter buero@telefonseelsorge-schwerin.de erreichen.“ Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
heiko@wruck.org
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