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Montag, 17. November 2014

Helfen beim Sterben ja, Töten niemals

von Dr. Wolfgang Röhr
KOLUMNE
Nur der Beistand ist Sterbehilfe. Ein Mehr ist organisiertes Töten.  Die Trennschärfe beider Begriffe macht den Unterschied. Helfen beim Sterben, ja. Töten, niemals. Seinem Leben ein Ende zu setzen, ist legitim. Die Lebensumstände Sterbewilliger bestimmen die Rechtmäßigkeit dieses Wunsches. Tötungen zu delegieren, ist tabu. Aus gutem Grund.

Wird die organisierte Tötung von Menschen geduldet, ist bald ein Dammbruch unvermeidbar. Es ist die immense Dynamik der Wechselbeziehungen menschlichen Zusammenlebens, die die Grenzen ständig verschiebt. So wird aus Geduldetem schnell Erlaubtes. Aus Erlaubtem wird noch schneller Notwendiges. Und aus der vorgeblichen Notwendigkeit erwächst die Pflicht. Aus der Pflicht entsteht der Tötungsauftrag. Zuerst nur um die eigene Familie und im zweiten Schritt auch die Gesellschaft zu entlasten. Euthanasie ist das schließlich akzeptierte Ergebnis. Die absichtliche Herbeiführung des Todes kann deshalb niemals eine Sterbehilfe sein.

Der Gegenentwurf lautet, ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen. Hier geht es um seelischen Beistand, um Schmerzlinderung, Mitgefühl, Ängste zu nehmen. Es geht um Lebensqualität bis zum letzten Herzschlag. Diskussionen um Sterbehilfe rutschen häufig in Debatten um das Töten auf Verlangen ab. Gelingt es, die Angst vor einem menschenunwürdigen Sterben zu nehmen, verschwindet auch der Wunsch, getötet werden zu wollen. Zwar sehen Sterbewillige ihren Tod dann immer noch als einen Ort der Ruhe, den sie auch durchaus erreichen wollen. Aber wenn sich ihr Leben bis dahin erträglich gestaltet, wollen sie eben nicht mehr vor ihrer Zeit gehen.

Wir sollten also nicht darüber nachdenken, wann und unter welchen Umständen es erlaubt, sogar erwünscht sein kann, unsere Mitmenschen töten zu dürfen. Statt dessen sollten wir darüber reden, was wir tun können, um ein würdevolles Leben bis in den Tod zu gewährleisten. Die Palliativmedizin ist heute soweit, dass fast 100 Prozent der Todkranken ohne Schmerzen lebt – die meisten davon fast bis zum Schluss sogar zu Hause, im Kreise ihrer Angehörigen. Erst wenn dort nichts mehr geht, die Familie überfordert ist, bietet sich die Unterbringung in einem Hospiz an, in dem der Sterbende sanft aus dem Leben geht.

Die gesellschaftliche Debatte sollte darum gehen, das Wohlbefinden Sterbender der Tötung auf Verlangen vorzuziehen. Denn jeder Einzelne wird einmal vor der selben Entscheidung stehen.

Bildunterschrift:
Dr. Wolfgang Röhr, Hospiz Schloss Bernstorf: Die gesellschaftliche Debatte sollte darum gehen, das Wohlbefinden Sterbender der Tötung auf Verlangen vorzuziehen. Foto: Hospiz

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