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Sonntag, 6. August 2017

Ein Spaziergang ist das nicht

Beruf und Familie unter einen Hut gebracht
von Heiko Wruck
BERICHT
Parchim/gc. Kinder sind heute noch immer ein Grund, wenn auch oft unausgesprochen, der verhindert, dass Mütter die Arbeitsplätze bekommen, die sie auch wirklich möchten. Der Trend ändert sich nur langsam. Die Parchimerin Katharina Soltow ist so ein positives Beispiel dafür. Aber ein Spaziergang war es nicht.


Die gebürtige Ganzlinerin arbeitet heute als Projektleiterin im Sozialkaufhaus Parchim, dass zur BBS Start GmbH Ludwigslust, einem Unternehmen des Landkreises Ludwigslust-Parchim gehört. Inklusive der dreijährigen Lehrzeit ist die junge Mutter jetzt seit insgesamt vier Jahren im Unternehmen. Sie erinnert sich noch gut an die Zeit davor. „Ich habe etwa 50 Bewerbungen geschrieben, um überhaupt eine Ausbildung zu bekommen. Meinen Sohn habe ich dabei nicht verschwiegen“, sagt Katharina. Nur fünf Vorstellungsgespräche waren das Resultat. Keines davon war erfolgreich – „bei manchen auch des Kindes wegen“, sagt die junge Frau. So begann sie schließlich eine „Überbetriebliche Ausbildung“ bei der BBS, die sie erfolgreich als Bürokauffrau beendete. Ihr Stützlehrer hatte ihr danach geraten, sich im Sozialkaufhaus Parchim zu bewerben. Allerdings war der Job damals nur vertretungsweise ausgeschrieben. Trotzdem war er ein Glücksgriff.

Die Berufsanfängerin behauptete sich, entwickelte die Idee, die sie schließlich zur Projektleiterin machte, und baute sich damit quasi selbst ihren eigenen Arbeitsplatz. Sie konnte außerdem beim Erwerb des „Ausbildereignungsscheins“, intern ADA-Schein genannt, die sogenannte Bildungsprämie nutzen. Immerhin 50 Prozent der Ausbildungskosten werden von diesem staatlichen Finanzierungsinstrument getragen. „Ohne die große Unterstützung meiner Chefin und der Kollegen wäre das nicht möglich gewesen“, sagt Katharina. Sie bekam die Möglichkeiten, zwischen Voll- und Teilzeit wechseln zu können. Das wird auch so sein, wenn ihr Sohn Finn in die Schule kommt. Stehen Schichten an, gibt’s eine verlässliche Vertretung, und ihr Sohn ist im Betrieb ein gern gesehener Gast. Finns Vater Dennis arbeitet ebenso wie seine Lebensgefährtin Katharina in Parchim. Beide sind mit ihren Jobs sehr zufrieden und die Kita kümmert sich hervorragend um den lebhaften Jungen. „Ich bin gut im Leben angekommen“, resümiert die junge Frau und hat schon ein nächstes Ziel im Blick: eine Ausbildung zur Handelsfachwirtin ab September – Perspektive mittleres Management.

„Das alles hätte ich mir vor ein paar Jahren nicht träumen lassen. Damals gingen Beruf und Familie gar nicht zusammen. Wenn du ein Kind hast, bist du auf dem Arbeitsmarkt nichts wert, dachte ich damals. Ich hatte das Glück, an die richtigen Leute zu kommen, an meinem Wohnort eine Arbeit zu finden, die mich erfüllt und in einem Unternehmen zu arbeiten, das langfristig plant“, zieht Katharina Soltow ihr Fazit. Für die Finanzierung der Qualifikation zur Handelsfachwirtin will Katharina Soltow mit ihrem Arbeitgeber eine Rückzahlung vereinbaren: „Die Bereitschaft dafür, mich bei dieser neuen Ausbildung zu unterstützen, wurde mir schon signalisiert.“

Bildunterschrift:
Projektleiterin Katharina Soltow (28) und Sohn Finn Luca (5): Unternehmen, die auf die Bewerbungen von Müttern nicht reagieren, braucht niemand. Überbetriebliche Ausbildung ist nichts Schlechtes. Aber man darf sich nicht hängen lassen, man darf sich nicht aufgeben, muss durchhalten. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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