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Montag, 4. Dezember 2017

Leben ist mehr als nine to five ...

sagt Hannah Kirchmeier und frühstück kräftig
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Neu Poserin/gc. Wie startet die Pflegelotsin in den Tag?
Wenn es morgens schnell gehen muss, bereite ich mir bereits abends schon ein Müsli vor. Wenn ich mehr Zeit habe, dann  gibt es Vollkornbrot, Marmelade mit Früchten aus meinem Garten, Leberwurst und jeden Morgen zwei Eier und `nen ordentlichen Kaffee.


Wer sind die Pflegelotsen und was machen Sie?
Pflegelosten sind Nachbarn, Freunde, Kollegen, Bekannte und Verwandte, die andere Menschen in allen Angelegenheiten rund um die Pflege unterstützen. Sie kommen aus allen Berufen, sind oft Rentner und sie arbeiten durchweg ehrenamtlich. Aber sie sind keine Pfleger. Pflegelosten begleiten bei Behördengängen, vermitteln Ansprechpartner, helfen beim Ausfüllen von Formularen, telefonieren mit Dienststellen und Ämtern, geben Ratschläge, spenden Trost oder hören einfach nur zu. Pflegelosten tun im Ehrenamt eigentlich das, wozu man in den Ämtern, Pflegeeinrichtungen oder bei den Krankenkassen einfach keine Zeit hat: Sie bleiben nah am Menschen.

Und wie passiert das?
... übern Gartenzaun, wenn man zu Besuch ist, beim Einkaufen, beim Spaziergang ... Also überall, wo Menschen sich in Ruhe begegnen. Ein Hallo, wie gehts, reicht oft aus, und schon entsteht ein Gespräch. Oder jemand weiß, dass man sich damit auskennt und fragt konkret nach. Dann trifft man sich ... Das System Pflegelotsen funktioniert, weil es das Leben im Kleinen ist, ohne Behördendistanz und Stechuhr. Koordiniert werden wir, also unsere Gruppe im Altkreis Parchim, über das Mehrgenerationenhaus in Lübz. Dort treffen wir uns, tauschen uns aus, dort werden wir geschult.

Wozu das alles? Sie könnten auch sehr viel ruhiger leben.
Ja, könnte ich, aber ich helfe lieber und tausche mich auch gerne aus. Meine Hinwendung zu diesem sozialen Engagement liegt vielleicht darin begründet, wie ich selbst sozialisiert wurde. Meine Eltern waren nicht wohlhabend. So kam damals ein Studium für mich nicht infrage. Nach der 10. Klasse ging ich aus Hannovers Speckgürtel weg nach Norderney, um dort ein Krankenpflegepraktikum zu absolvieren. Da war ich 16. Mit 17 ging ich nach Bremen und erlernte dort drei Jahre lang den Beruf einer Krankenschwester. Als junge Frau zog es mich nach Westberlin, wo ich bis 1975 das Auslaufen der 68er Bewegung erlebte. Diese Zeit von Bremen bis Berlin hat mich sehr geprägt. Später kamen zwei Studiengänge dazu. Ich war einmal verheiratet und bin zweimal verwitwet. Ich habe mehrfach und über längere Zeit in Havanna und in Miami gelebt, habe viele Ländern gesehen und Lateinamerika durchreist. Und ich habe den Unterschied zwischen Armut und Elend kennengelernt. In Kuba habe ich zum Beispiel sehr viel Armut, aber nie Elend gesehen. Das war in anderen Ländern ganz anders. Immer ist mir bewusst geworden, dass Reichtum und Wohlstand nicht lohnen, wenn man nicht teilen kann, wenn’s nur wenigen nützt.

Und dann kommt man auf die Idee, die ganze Welt zu retten?
Nein, man kommt zu der Erkenntnis, dass nur zählt, was den Menschen wirklich hilft. Und damit kann man ganz konkret im Kleinen anfangen, vor der eigenen Haustür.

Bildunterschrift:
Die Pflegelotsin Hannah Kirchmeier ist eine zupackende Frau. Sie lebt mit ihren beiden Hunden, der Katze, Hühnern, Enten und Gänsen in Neu Poserin und mag den Austausch mit anderen Menschen. Foto: Heiko Wruck

Zur Person
„Nine to five war nie eine Option für mich“, sagt Hannah Kirchmeier. „Leben ist mehr.“
Berufliches: absolvierte nach Schulabschluss ein Krankenpflegepraktikum auf Norderney; ließ sich danach drei Jahre lang in Bremen zur Krankenschwester ausbilden; wechselte von 1972 - 1975 nach Westberlin; ging zurück nach Hannover und war als Arztsekretärin tätig; arbeitete in diversen Projekten im Ausland, dazwischen lagen ein Studium auf Lehramt und ein zweites Studium mit Abschluss als Master of Art
Privates: geboren 1953 in Hannover, dort aufgewachsen und bis zur 10. Klasse zur Schule gegangen, verheiratet, verwitwet, liebt klassische Musik, den Garten, Tiere, liest und reist gerne, engagiert sich gesellschaftlich und sozial, unterstützt Nichtregierungsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen, Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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