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Sonntag, 18. März 2018

Verantwortung als Belastung

Verantwortungsvolle Chefs empfinden meisten Stress
Redaktion: Leibniz-Institut für Wissensmedien
PRESSEMITTEILUNG
Tübingen/gc. Sind sich Menschen in Machtpositionen ihrer Verantwortung bewusst, erleben sie mehr Stress als Mächtige, die eher ihre Freiräume erkennen. Das zeigt eine aktuelle Studienreihe des Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM) in Tübingen. Wenn Mächtige über ihre Verantwortung (statt ihre Freiräume) nachdenken, handeln sie zwar rücksichtsvoller – gleichzeitig erhöht sich aber ihr körperliches Stresslevel.


Eine Machtposition kann Menschen dazu verleiten, sich vor allem um sich selbst zu kümmern. Dies entspricht dem prominenten Bild, dass „Macht korrumpiert“. Allerdings ist das nicht immer der Fall. Gerade Menschen in mächtigen Positionen – wie Führungskräfte oder TeamleiterInnen – sind sich häufig ihrer Verantwortung bewusst. Das hat positive Folgen für die Zusammenarbeit und ihre Mitarbeitenden. Doch welche Folgen hat es für die mächtige Person selbst, wenn sie sich ihrer Verantwortung bewusstwird?

Die Personen, die über ihre Verantwortung sprachen,
empfanden deutlich mehr Stress als diejenigen,
die über ihre Freiräume sprachen.

Dieser Frage gingen die Forscher um Dr. Annika Scholl in der Arbeitsgruppe Soziale Prozesse am Leibniz-Institut für Wissensmedien gemeinsam mit KollegInnen aus den Niederlanden nach. In einer von fünf Studien baten sie Teilnehmende, eine Rede über ein persönliches Erlebnis zu halten. Diese Rede sollte von einer Situation handeln, in der die Teilnehmenden Macht und Einfluss hatten. Ein Teil der Teilnehmenden wurde gebeten, über die Freiräume zu sprechen, die sie in der Situation erlebt hatten. Der andere Teil der Teilnehmenden sollte über ihre Verantwortlichkeiten in der Situation sprechen. Während sie die Rede vor einer Videokamera hielten, wurde ihre körperliche Stressreaktion gemessen. Genauer erfassten die Forscher über gängige physiologische Messverfahren die Leistung des Herzens – als Hinweis auf das Stresslevel, das die Teilnehmenden gerade erlebten.

„Verantwortung als Teil einer Machtposition
scheint gewissermaßen als Last erlebt zu werden.“

Es zeigte sich: Die Personen in Machtpositionen, die über ihre Verantwortung sprachen, empfanden deutlich mehr Stress als diejenigen, die über ihre Freiräume sprachen. Obwohl beide ein gleiches Ausmaß an Macht und Einfluss erlebten. Diese Effekte zeigten sich nur für Personen in Machtpositionen – ein Vergleich mit weniger Mächtigen zeigte: Verantwortung erhöht das Stresslevel bei den Personen, die hohe Macht hatten – nicht bei Personen, die niedrige Macht hatten (und ebenfalls über Freiräume oder Verantwortlichkeiten sprachen). So ist es nicht Verantwortung an sich, die mehr Stress auslöst, sondern Verantwortung in Verbindung mit einer Machtposition.

Dieses Ergebnis haben die ForscherInnen in vier weiteren Studien bestätigt, darunter auch einer Befragung von Führungskräften. „Verantwortung als Teil einer Machtposition scheint gewissermaßen als Last erlebt zu werden“, bemerkt Dr. Annika Scholl. „Möglicherweise deshalb, weil man hier stärker die zahlreichen Anforderungen einer Machtrolle erkennt, die es zu erfüllen gilt. Offen bleibt für uns die Frage, wie mächtige Personen damit längerfristig umgehen können.“ Aktuell arbeiten die WissenschaftlerInnen an weiteren Studien zu dieser Frage.

Studie:

Weitere Informationen:
Dr. Annika Scholl, IWM
Schleichstraße 6
72076 Tübingen
a.scholl@iwm-tuebingen.de
Tel.: +49 (0) 7071-979 257

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Das Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen erforscht, wie digitale Technologien eingesetzt werden können, um Wissensprozesse zu verbessern. Die psychologische Grundlagenforschung der rund 110 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist auf Praxisfelder wie Schule und Hochschule, auf Wissensarbeit mit digitalen Medien, wissensbezogene Internetnutzung und Wissensvermittlung in Museen ausgerichtet. Von 2009 bis 2016 unterhielt das IWM gemeinsam mit der Universität Tübingen Deutschlands ersten Leibniz-WissenschaftsCampus (WCT) zum Thema „Bildung in Informationsumwelten“. Seit 2017 wird er unter dem Titel „Kognitive Schnittstellen“ weitergeführt.

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