Mittwochabend Protest vor Schweriner Schlossherrlichkeit
von Heiko Wruck
BERICHT
Crivitz/gc. Ignorieren Politiker den Bürgerwillen, so treiben sie die Menschen Rattenfängern zu. So argumentieren die einen. Politiker suchen sich in einer parlamentarischen Demokratie Mehrheiten, um sich nicht erpressen zu lassen. Auch nicht vom Bürger. So argumentieren die anderen. Beide haben recht. Deswegen wurde der Konsens erfunden.
Der setzt allerdings gegenseitiges Zuhören voraus. Doch von übereinstimmender Meinung ohne verdeckten oder offenen Widerspruch sind Windkraftgegner, Landespolitik und Windkraftbefürworter weit entfernt. Das schafft Unmut. Dieser Unmut bricht sich Bahn: geplant am kommenden Mittwoch, 4. September, 18 vor der Brücke des Schweriner Schlosses.
Eigentlich eine ausgezeichnete Gelegenheit, um direkt mit vielen Bürgern gleichzeitig ins Gespräch zu kommen. Dass die Windkraft an diesem Sommerabend Stein des Anstoßes ist, ist eigentlich fast eine Nebensache. Es geht um die Mündigkeit der Menschen.
„Bürger und Kommunen haben aktuell keinen praktischen Einfluss auf den Windkraftausbau unmittelbar vor ihrer Haustür“, empört sich Britta Brusch-Gamm. Für die Crivitzerin ist genau diese Entmündigung der Bürger durch die Landes- und Bundespolitik Tagesgeschäft. Sie ist die wiedergewählte Bürgermeisterin der Kleinstadt und kann ihren Mitbürgern – wie viele andere ihrer Amtskollegen auch – nicht erklären, warum sie nicht berücksichtigt werden. „Schaut man sich auf der Karte Standorte sowie im Bau befindliche und geplante Windkraftanlagen an, stellt man fest, dass eine enorme Verdichtung solcher Anlagen ausgerechnet in stark besiedelten Räumen stattfindet. Die Menschen fühlen sich regelrecht bedrängt und ohnmächtig.“ Mancherorts sollen Windkraftanlagen dichter als 1.000 Meter an die Ortschaften herangebaut werden. Einige Orte sind bereits regelrecht von Windkraftanlagen umzingelt. „In unserer Nachbarschaft gibt es arme Gemeinden, die reich an Windrädern sind. Höhere und mehr Strommasten kommen dazu, um den Strom statt vor Ort zu verbrauchen, weiter gen Süden zu leiten, wo im Übrigen der Windkraftausbau wegen der besseren Abstandregel (10 H) geringer ist. Warum betteln wir um Abnahme des Stroms ins Ausland, statt Schulen, Kitas, Sportstätten dann kostenlos zu versorgen?“ Wenn das Ziel der Landesregierung darin besteht, bis 2025 jährlich 12 Terrawattstunden Energie aus Windstrom zu erzeugen und man vier Windenergieregionen zugrunde legt, dann wären dies 3 Terrawattstunden pro Jahr und Region.
„Mit den jetzigen Standorten, den gerade in Bau befindlichen und durch Austausch alter, kleiner Windkraftanlagen durch neue, höhere Anlagen (Repowering) ist dieses Ziel schon jetzt erreicht“, sagt die Bürgermeisterin. Ihre Stadt profitiert unwesentlich vom Windenergieausbau, aber den Menschen wird zugemutet, die Belastungen ertragen zu müssen. Einerseits sollen wertvolle Böden und Tiere geschützt werden, andererseits scheint es egal zu sein, ob die Menschen gesundheitlich Schaden nehmen oder ihre Grundstücke entwertet werden. „Wir wollen, dass die Privilegierung der Windkraft aus dem Baugesetzbuch entfernt wird und die Entscheidungshoheit an die Kommunen zurückgeht. Dafür sollen sich die Landespolitiker ernsthaft einsetzen. Und wir fordern ein Moratorium des Windkraftausbaus bei uns bis zum Abschluss der Regionalplanung“, fordert die Kommunalpolitikerin.
Bildunterschrift:
Wider die Rattenfänger: Britta Brusch-Gamm, ehrenamtliche Bürgermeisterin von Crivitz: Am 4. September werden ab 18 Uhr die Bürger vor dem Schweriner Schloss wieder Stimme und Gesicht zeigen. Sie wollen, dass sie gehört und ihre Interessen auch tatsächlich von Landes- und Bundespolitikern berücksichtigt werden. Foto: Heiko Wruck
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