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Montag, 31. August 2020

Ohne Mikroskop und Lupe, ...

aber mit Zeitungsschau frühstückt Uwe Jueg
von Heiko Wruck
GESPRÄCH

Schwerin/gc. Wie startet der Lehrer für Biologie und Chemie in den Tag?
... mit Kaffee, türkisch gebrüht, schwarz und ohne Zucker. Dazu gibt es Haferflocken mit Milch, Brot und mit einer halben bis zu einer dreiviertel Stunde Zeitungslektüre. Gut informiert in den Tag zu starten, ist für mich sehr wichtig.

Sie sind Gründungsmitglied der Naturforschenden Gesellschaft Mecklenburg ...
... und auch Vorsitzender seit der Gründung am 25. September 2000. In diesem Jahr begehen wir also unter Pandemiebedingungen unser 20. Jubiläum. Es hatte vorher mal einen Versuch gegeben, in Schwerin ein Naturkundemuseum einzurichten. Leider stieß damals Dr. Wolfgang Zessin auf unüberwindbare Widerstände. Ludwigslust hatte kein Museum, auch kein Heimatmuseum. So haben wir die Naturforschende Gesellschaft Mecklenburg (NGM) gegründet, um hier wissenschaftliche Synergien und daneben ein kleines Naturkundemuseum zu entwickeln. Die Stadt Ludwigslust unterstützt die NGM mit 4.100 Euro pro Jahr. Dafür sind wir sehr dankbar. Heute ist das Natureum das Museum, das auch gleichzeitig Forschungsstätte, Veranstaltungsraum, Seminarort und Ausstellungsraum ist. Etwa 50.000 Exponate umfasst die hiesige Sammlung derzeit, darunter die größte Blutegelsammlung Deutschlands.

Wie passiert hier wissenschaftliche Arbeit in der Praxis?
Hier werden alte Arten untersucht und neue gefunden. So auch neue Egelarten aus Spanien und aus Kenia. Letztere sind die vom Meeresniveau gemessen am höchsten lebenden Vorkommen in Afrika. Fast 5.000 Arten konnten wir im Ludwigsluster Schlosspark kartieren. Wir publizieren, bieten Fachvorträge an, erstellen Gutachten zu Biotopen, zu Bauvorhaben, zu Veränderungen der Artenvorkommen bei landwirtschaftlichen Maßnahmen und vieles mehr. Die Sammlungen müssen erhalten und fortgeführt werden. Das ist viel Arbeit.

Wozu oder für wen wird all die Arbeit geleistet?
Wir leisten wissenschaftliche Grundlagenforschung in der zweihundertjährigen humboldtschen Forschungstradition. Daraus können Politik und Wirtschaft Erkenntnisse gewinnen, die unsere Lebensgrundlagen erhalten, verbessern und wieder herstellen. Unsere Lebensgrundlage verändert sich gravierend. Sichtbar wird das, wenn wir betrachten, welche Arten heute auf Feldern, Wiesen, in Wäldern, Bächen, Seen oder Flüssen vorkommen und wie das vor 100 Jahren war. Wir sehen überall massive Rückgänge. Muscheln, die die Bäche sauber halten, sind extrem zurückgegangen. Die einst prägende Feldlerche ist heute selten. Etliche Pflanzenstandorte sind verschwunden.

Welche Zukunft sehen Sie für Naturforschende Gesellschaft?
Wir müssen uns verjüngen. Geschieht dies nicht, wird es langfristig keine Zukunft geben. Unsere Arbeit wird kaum am Computer, sondern unmittelbar am Objekt geleistet. Da wäre es schön, wenn besonders die Lehrer ihre Schüler stärker für die umgebende Natur, deren Zusammenhänge und für die Forschung begeistern würden. Es kennt sich heute mit einem Alter von unter 40 Jahren kaum noch jemand mit Arten aus. Selbst die Pilzberater haben sich seit der Wende kaum verjüngt. Uns geht Jahr für Jahr Expertise verloren. Irgendwann kommt dann nichts mehr nach. Dabei ist das wissenschaftliche Arbeiten gerade für junge Menschen persönlichkeitsprägend.

Bildunterschrift:
Uwe Jueg: Das Natureum am Schloss Ludwigslust beherbergt als Naturarchiv derzeit um die 50.000 Exponate. Foto: Heiko Wruck

Zur Person
„Ich wünsche mir, dass sich mehr junge Leute für die Natur begeistern“, sagt Uwe Jueg.
Berufliches: 1988 - 1993 Studium in Güstrow und Rostock I. Staatsexamen; 1993 - 1995: II. Staatsexamen am Gymnasium Ludwigslust; seit 1997 Lehrer für Biologie/Chemie an der Regionalen Schule P.-J.-Lenné Ludwigslust
Privates: geb. 1967 in Ludwigslust, Abitur 1986 in Ludwigslust; verheiratet, drei erwachsene Kinder; Hobbys:  Zoologie, Botanik (Leiter der Fachgruppe seit 1996), Malakologie (Weichtierkunde), Reisen, Geschichte und Gitarre für den Hausgebrauch

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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